Tagebuch Eines Vampirs 04. In Der Schattenwelt
vertrauen zu können. Und dann waren sie alle unvorsichtig geworden und hatten sich auf Damon verlassen, weil es so bequem war und weil sie seine Hilfe wirklich brauchten.
Niemand hatte etwas dagegen gehabt, Damon heute nacht Vickies Wache zu überlassen.
Sie waren alle dafür verantwortlich. Doch es war Stefan, der sich wegen dieser Schuld zerreißen würde. Sie wußte, was hinter seinem unbändigen Zorn auf Damon steckte: seine eigene Scham und seine Selbstvorwürfe. Bonnie fragte sich, ob Damon das wußte und ob es ihn überhaupt interessierte. Und sie fragte sich, was wirklich heute nacht passiert war. Jetzt, wo Damon fort war, würden sie es vermutlich nie erfahren.
Ist auch egal, dachte sie. Es ist besser, daß er weg ist. Draußen fingen die Geräusche erneut an. Autos wurden auf der Straße gestartet, Sirenen heulten und Türen wurden zugeknallt. In dem kleinen Walnußhain waren sie im Moment sicher, doch sie konnten hier nicht bleiben. Meredith hatte eine Hand gegen die Stirn gepreßt und die Augen geschlossen. Bonnie schaute von ihr zu Stefan und zu den Lichtern von Vickies Haus hinter den Bäumen. Eine Welle totaler Erschöpfung durchlief ihren Körper. All das Adrenalin, das sie den ganzen Abend auf den Beinen gehalten hatte, schien ausgeschöpft. Sie fühlte nicht einmal mehr Wut über Vickies sinnlosen, grausamen Tod. Sie war nur noch niedergeschlagen, krank und sehr, sehr müde.
Alles, was sie sich wünschte war, zu Hause ins Bett zu kriechen und die Decken über den Kopf zu ziehen. „Tyler“, sagte sie laut. Als alle anderen sie ansahen, fuhr sie fort: „Wir haben ihn in der Kirchenruine zurückgelassen. Er ist jetzt unsere letzte Hoffnung. Wir müssen ihn dazu bringen, uns zu helfen.“
Das weckte alle auf. Stefan drehte sich schweigend um. Ohne die Blicke der anderen zu erwidern, folgte er ihnen auf die Straße. Die Polizeiautos und der Krankenwagen waren fort. Auf der Fahrt zum Friedhof gab es keinen Zwischenfall.
Doch als sie die Kirchenruine erreichten, war Tyler fort. „Wir hatten seine Füße nicht festgebunden“, sagte Matt dumpf und verzog das Gesicht voller Selbstverachtung. „Er muß zu Fuß gegangen sein, denn sein Auto ist immer noch da.“ Oder jemand hat ihn mitgenommen, dachte Bonnie.
Meredith setzte sich auf einen Stein der früheren Mauer. Mit einer Hand kniff sie sich in den Nasenrücken. Bonnie sank gegen den zerstörten Glockenturm in sich zusammen.
Sie hatten auf der ganzen Linie versagt. Das war kurz und knapp das Resultat dieser Nacht. Sie hatten verloren, und er hatte gewonnen. Alles, was sie heute unternommen hatten, hatte in einer Niederlage geendet.
Und Stefan, das konnte Bonnie erkennen, übernahm dafür die volle Verantwortung. Auf der Fahrt zurück zur Pension schaute sie auf Stefans dunklen, gebeugten Kopf. Ein weiterer Gedanke kam ihr. Einer, der in ihr sämtliche Alarmsirenen auslöste.
Nachdem Damon fort war, war Stefan jetzt der einzige Schutz, den sie hatten. Und Stefan schien so schwach und erschöpft... Bonnie biß sich auf die Lippen, während Meredith vor der Scheune parkte. Eine Idee begann sich in ihrem Kopf zu formen. Ein Gedanke, der in ihr Unbehagen, ja Furcht auslöste.
Der Ferrari stand hinter der Scheune. Anscheinend hatte Damon ihn zurückgelassen. Bonnie fragte sich, wie er aus dieser verlassenen Gegend wegkommen wollte. Dann fielen ihr Flügel ein. Samtweich, doch stark. Schwarze Krähenflügel, die die Farben des Regenbogens in ihren Federn reflektierten.
Damon brauchte kein Auto. Sie gingen kurz mit in die Pension, damit Bonnie ihre Eltern anrufen und ihnen sagen konnte, daß sie bei Meredith übernachten würde. Doch nachdem Stefan die Stufen zu seinem Dachgeschoßzimmer hochgeklettert war, hielt Bonnie Matt auf dem Hof fest. „Matt? Kann ich dich um einen Gefallen bitten?“ Er drehte sich um, die blauen Augen erstaunt weit aufgerissen. „Das ist ein Satz, der's in sich hat.
Jedesmal, wenn Elena damit kam...“ „Nichts Schlimmes. Ich wollte dich nur bitten, auf Meredith aufzupassen. Damit sie gut nach Hause kommt und so.“ „Aber du fährst doch mit uns?“
Bonnie blickte durch die offene Tür auf die Stufen. „Nein. Ich bleibe noch ein paar Minuten. Stefan kann mich nach Hause bringen. Ich muß mit ihm etwas bereden.“ Matt wurde mißtrauisch. „Und was?“ „Das kann ich dir jetzt nicht sagen.
Wirst du mir den Gefallen tun, Matt?“ „Aber... na, gut. Tu, was du willst. Dann bis morgen.“ Er drehte sich auf dem
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