Tagebuch Eines Vampirs 04. In Der Schattenwelt
Besonders die Trennung von dir hat sie nie verschmerzt. Immer hat sie unvorteilhafte Vergleiche zwischen uns gezogen. Ich versuchte, ihr etwas Vernunft einzuprügeln, vergebens.
Vielleicht hätte ich selbst sie töten sollen, ich weiß nicht. Aber da war ich schon daran gewöhnt, sie um mich zu haben. Sie war nie die klügste gewesen. Doch sie war hübsch anzusehen, und sie verstand es, Vergnügen zu bereiten. Und ich habe ihr gezeigt, wie man Spaß am Töten bekommt. Am Ende ist sie ein bißchen verrückt geworden, was soll's? Schließlich habe ich sie nicht wegen ihres Verstandes bei mir behalten.“
Stefan empfand keinerlei Liebe mehr für Katherine, doch er haßte den Mann, der sie zu dem gemacht hatte, was sie am Ende geworden war.
„Ich? Ich, Sportsfreund?“ Klaus deutete ungläubig auf seine Brust. „Du hast Katherine zu dem gemacht, was sie jetzt ist.
Oder, besser, deine kleine Freundin war es. Jetzt ist sie nämlich Staub. Futter für die Würmer. Aber dein Liebling ist gerade außerhalb meiner Reichweite. Pulsierend auf einer höheren Ebene - nennen die Mystiker es nicht so, Elena?
Warum pulsierst du nicht hier, wie der Rest von uns?“
„Wenn ich nur könnte“, flüsterte Elena, hob den Kopf und sah ihn voller Haß an. „Na, was soll's. Inzwischen habe ich deine Freunde. Nach allem, was ich gehört habe, war Sue ein besonders süßes Mädchen.“ Er leckte sich die Lippen. „Und Vickie war geradezu köstlich. Zierlich, aber voll entwickelt.
Genau richtig. Aah, sie hatte das sinnliche Bouquet einer Neunzehnjährigen, obwohl sie erst siebzehn war.“
Stefan wollte einen Satz nach vorn machen, aber Elena hielt ihn zurück. „Nicht, Stefan! Das hier ist sein Reich, und seine telepathischen Kräfte sind stärker als unsere. Er kontrolliert alles.“
„Genau. Das hier ist mein Reich. Das Reich der Phantasie.“
Klaus grinste wieder sein irres Grinsen. „In dem deine schlimmsten Alpträume Wirklichkeit werden, ganz kostenlos.“
Er schaute Stefan an. „Möchtest du nicht wissen, wie dein Schatz heute in Wahrheit aussieht? So ganz ohne... Makeup?“
Elena gab einen leisen Laut von sich, der fast wie ein Stöhnen klang. Stefan drückte sie fester an sich. „Wie lange ist es her, seit sie gestorben ist? Ungefähr sechs Monate? Weißt du, was mit einem Körper passiert, wenn er einmal sechs Monate in der Erde gelegen hat?“ Klaus leckte sich wieder die Lippen wie ein Hund.
Jetzt verstand Stefan. Elena zitterte am ganzen Leib. Sie hatte den Kopf gebeugt und versuchte, sich von ihm zu entfernen, aber er ließ sie nicht aus seiner Umarmung. „Ist schon gut“, tröstete er sie. Und sagte zu Klaus gewandt: „Du überschätzt dich. Ich bin kein Mensch, der bei jedem Schatten erschrickt und beim Anblick von Blut zusammenzuckt. Ich kenne den Tod, Klaus. Er macht mir keine Angst.“
„Nein, aber erregt er dich nicht?“ Klaus hatte die Stimme gesenkt, sie klang tief und verführerisch. „Sind sie nicht berauschend, der Gestank, der Verfall, die Säfte des verwesenden Fleischs? Wie ein Trip ganz ohne Drogen?“ „Stefan, laß mich gehen. Bitte.“ Elena versuchte verzweifelt, ihn mit den Händen wegzustoßen. Die ganze Zeit hielt sie dabei den Kopf abgewandt, so daß er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Sie schien den Tränen nah zu sein. „Bitte!“
„Die einzige Macht, die du hast, ist die Macht der Illusion“, sagte Stefan zu Klaus. Er drückte Elena an sich, seine Wange an ihr Haar gepreßt. Er konnte die
Veränderungen in dem Körper, den er umarmte, spüren. Das Haar fühlte sich gegen seine Haut hart und struppig an, und Elenas Gestalt schien in sich zusammenzusinken. „In bestimmten Bodenarten wird die Haut braun wie Leder“, versicherte Klaus ihm vergnügt.
„Stefan, ich möchte nicht, daß du mich ansiehst...“ Die Augen auf Klaus gerichtet, strich er über das weiße Haar und streichelte ihr Gesicht, ohne auf die Rauheit unter seinen Fingerspitzen zu achten. „Aber natürlich verwest das meiste mit der Zeit einfach. Was für ein Ende! Du verlierst alles, Haut, Fleisch, Muskeln, die inneren Organe - alles kehrt in die Erde zurück...“ Der Körper in Stefans Armen wurde immer weniger.
Er schloß fest die Augen und preßte ihn enger an sich. Haß auf Klaus brannte in ihm. Eine Illusion, es war alles eine Illusion...
„Stefan...“ Ein trockenes Flüstern, sacht wie ein Fetzen Papier, der über die Straße geweht wird. Es hing eine Minute in der Luft, dann verhallte es,
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