Tagebuch Eines Vampirs 05. Rückkehr Bei Nacht
ihr klar, dass sie niemals auch innerhalb einer Woche all diese Informationen aufnehmen konnte, geschweige denn in wenigen Minuten.
Aber zumindest musste sie irgendwo anfangen.
Genau in diesem Moment wich Meredith vor Isobel zurück. Sie legte den Mund dicht an Bonnies Ohr und flüsterte: »Ich denke, wir bringen sie nur gegen uns auf.
Konntest du dir ihre Aura gründlich ansehen?«
Bonnie nickte.
»Dann sollten wir nun zumindest den Raum verlassen.«
Bonnie nickte abermals.
»Hast du versucht, Matt und Elena anzurufen?« Meredith musterte das Handy.
Bonnie schüttelte den Kopf und drehte das Telefon so, dass Meredith ihr Suchwort sehen konnte. Meredith riss die Augen auf. Langsam schien sie zu begreifen - und dann sah sie Bonnie entsetzt an.
Salemhexen.
KAPITEL EINUNDZWANZIG
»Irgendwie ergibt es auf grauenhafte Art einen Sinn«, sagte Meredith. Sie waren in Isobels Wohnzimmer und warteten auf Dr. Alpert. Meredith saß an einem wunderschönen Schreibtisch, der aus irgendeinem schwarzen Holz gemacht und mit Goldornamenten verziert war, und arbeitete an einem Computer. »Die Salemmädchen haben Leute beschuldigt, ihnen wehzutun - es waren natürlich Hexen. Sie sagten, sie würden sie zwicken und ›mit Nadeln stechen‹.«
»So wie Isobel uns beschuldigt hat«, nickte Bonnie.
»Und sie hatten Anfälle und verzerrten ihre Körper in unmögliche Positionen^.«
»Caroline sah aus, als hätte sie in Stefanos Zimmer solche Anfälle gehabt«, bemerkte Bonnie. »Und wenn ein Mensch, der wie eine Eidechse kriecht, seinen Körper nicht in eine unmögliche Position verzerrt ... komm, ich werde es ausprobieren.« Sie ließ sich auf dem Boden nieder und versuchte, Ellbogen und Knie so abstehen zu lassen, wie Caroline es getan hatte. Sie konnte es nicht.
»Siehst du?«
»Oh, mein Gott!« Es war Jim an der Tür zur Küche und er hielt ein Tablett mit Essen in der Hand, das er beinahe fallen ließ. Der Geruch von Misosuppe hing scharf in der Luft, und Bonnie war sich nicht sicher, ob der Geruch bei ihr ein Hungergefühl weckte oder ob ihr zu übel war, um je wieder Hunger zu verspüren.
»Schon gut«, sagte sie hastig und stand auf. »Ich habe nur ... etwas ausprobiert.«
Meredith erhob sich ebenfalls. »Ist das für Isobel?«
»Nein, es ist für Obaasan - ich meine Isa-chans Grandma - Grandma Saitou ...«
»Ich habe dir doch gesagt, du sollst jeden so nennen, wie du es gewohnt bist.
Obaasan ist in Ordnung, genau wie Isa-chan«, erklärte Meredith sanft und energisch zugleich.
Jim entspannte sich ein klein wenig. »Ich habe versucht, Obaasan zum Essen zu bewegen, aber sie wirft die Tabletts einfach an die Wand. Sie sagt, dass sie nicht essen könne; dass etwas sie würge.«
Meredith warf Bonnie einen bedeutungsvollen Blick zu. Dann wandte sie sich wieder an Jim. »Warum lässt du es mich nicht versuchen? Du hast eine Menge durchgemacht. Wo ist sie?«
»Oben, zweite Tür links. Falls - falls sie etwas Komisches sagt, ignorier es einfach.«
»In Ordnung. Bleib bei Bonnie.«
»Oh, nein«, wehrte Bonnie hastig ab. »Bonnie kommt mit.« Sie wusste nicht, ob sie es zu ihrem eigenen Schutz tat oder zu Meredith' Schutz, aber sie würde sich wie Kaugummi an ihre Sohlen heften.
Oben knipste Meredith mit dem Ellbogen vorsichtig das Flurlicht an. Dann traten sie vor die zweite Tür auf der linken Seite, hinter der sich, wie sich herausstellte, eine puppenähnliche alte Dame befand. Sie lag exakt in der Mitte des Raums, exakt in der Mitte eines Futons. Als sie hereinkamen, richtete sie sich auf und lächelte. Das Lächeln verwandelte ein runzliges Gesicht beinahe in das Gesicht eines glücklichen Kindes.
»Megumi-chan, Beniko-chan, ihr kommt mich besuchen!«, rief sie aus und verbeugte sich im Sitzen.
»Ja«, sagte Meredith bedächtig. Dann stellte sie das Tablett neben der alten Dame ab. »Wir sind hergekommen, um Sie zu besuchen - Ms Saitou.«
»Spielt keine Spielchen mit mir! Es geht um Inari-chan! Oder seid ihr böse auf mich?«
»All diese Chans. Ich dachte ›Chan‹ sei ein chinesischer Name. Ist Isobel nicht Japanerin?«, flüsterte Bonnie, die hinter Meredith stand.
Was auch immer die puppenähnliche alte Frau war, taub war sie jedenfalls nicht.
Sie brach in Gelächter aus und legte in einer mädchenhaften Geste beide Hände auf den Mund. »Oh, neckt mich nicht, bevor ich esse. Itadakimasu!« Sie griff nach der Schale mit Misosuppe und begann davon zu trinken.
»Ich denke, Chan ist etwas, das man ans
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