Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
gerade einen offenkundigen Vorschlag gemacht. » Wenn es sich um die magischen Hälften eines einzigen Schlüssels handelt, werden sie sich fast mit Sicherheit verändern, wenn die beiden Hälften zusammenkommen.«
» Siehst du?«, sagte Bonnie.
» Aber wenn sie jede nur erdenkliche Form haben können, woran zur Hölle sollen wir sie dann erkennen?«, fragte Elena ungeduldig. Sie interessierte sich nur für das, was unmittelbar notwendig war, um Stefano zu retten.
Lady Ulma verfiel in Schweigen und Elena hatte ein schlechtes Gewissen. Es war ihr verhasst, grob zu sprechen oder auch nur bekümmert zu wirken– vor dieser Frau, die seit ihrer Jugend ein Leben in solcher Entwürdigung und solchem Grauen geführt hatte. Elena wollte, dass Lady Ulma sich sicher fühlte, dass sie glücklich war.
» Wie dem auch sei«, sprach sie hastig weiter, » eines jedenfalls wissen wir. Der Schlüssel befindet sich in dem Instrument der Silbernen Nachtigall. Was immer also in Lady Fazinas Harfe ist, es muss der Schlüssel sein.«
» Oh, aber…«, begann Lady Ulma und brach dann ab, beinahe bevor die Worte heraus waren.
» Was gibt es?«, fragte Elena sanft.
» Oh, gar nichts«, erwiderte Lady Ulma schnell. » Ich meine, wollt Ihr jetzt die Kleider sehen? Diese letzte Anprobe dient eigentlich nur dazu sicherzustellen, dass jeder Stich perfekt sitzt.«
» Oh, das würden wir schrecklich gern tun!«, rief Bonnie und stürzte sich auf das Skizzenbuch, während Meredith eine Glocke betätigte. Daraufhin kam eine Dienstbotin hereingeeilt, um gleich darauf wieder ins Nähzimmer zu verschwinden.
» Ich wünschte nur, Meister Damon und Lord Sage hätten mir erlaubt, einen Anzug für sie zu entwerfen«, bemerkte Lady Ulma bekümmert zu Elena.
» Oh, Sage wird nicht mitkommen. Und ich bin mir sicher, dass Damon nichts dagegen einzuwenden gehabt hätte– solange Sie ihm eine schwarze Lederjacke, ein schwarzes Hemd, schwarze Jeans und schwarze Stiefel entworfen hätten, die alle genauso hätten aussehen müssen wie die Sachen, die er jeden Tag trägt. Dann wäre er nur allzu glücklich gewesen.«
Lady Ulma lachte. » Ich verstehe. Nun, heute Abend werdet ihr so viele fantastische Kostüme sehen, dass er für die Zukunft vielleicht seine Meinung ändern wird. Jetzt lasst uns überall an den Fenstern die Vorhänge zuziehen. Diese Gala findet im Haus statt und nur bei Gaslicht, sodass die Farben anders wirken als bei Tageslicht.«
» Ich habe mich schon gefragt, warum auf den Einladungen ›im Haus ‹ steht«, bemerkte Bonnie. » Ich dachte, sie würden vielleicht mit Regen rechnen.«
» Es steht da wegen der Farben«, sagte Lady Ulma nüchtern. » Das abscheuliche, dunkelrote Sonnenlicht lässt jedes Blau purpurn und jedes Gelb braun erscheinen. Versteht Ihr, niemand würde bei einer im Freien abgehaltenen Soiree Aquamarin oder Grün tragen– nein, nicht einmal Ihr mit diesem rotblonden Haar, das förmlich danach schreit.«
» Ich verstehe. Ich kann mir vorstellen, dass es einem nach einer Weile auf die Nerven geht, dass die Sonne jeden Tag dort hängt.«
» Ich frage mich, ob Ihr das wirklich verstehen könnt«, murmelte Lady Ulma, dann fügte sie hastig hinzu: » Soll ich euch, während wir warten, zeigen, was ich für die Hochgewachsene in eurem Dreierbund gemacht habe, die an mir so manchen Zweifel zu hegen scheint?«
Meredith lächelte.
» Oh, bitte, ja!« Bonnie hielt ihr das Skizzenbuch hin.
Lady Ulma blätterte darin, bis sie zu einer Seite kam, die ihr zu gefallen schien. Sie griff nach Buntstiften wie ein Kind, das darauf brannte, wieder mit seinem geliebten Spielzeug zu spielen. » Das ist es«, sagte sie und benutzte die Buntstifte, um hier eine Linie und dort eine Wölbung anzubringen, und sie hielt das Buch dabei so, dass die drei Mädchen alles gut sehen konnten.
» Oh mein Gott!«, rief Bonnie mit ehrlichem Erstaunen, und selbst Elena riss die Augen auf.
Das Mädchen in der Zeichnung war definitiv Meredith, die das Haar halb aufgesteckt, halb heruntergelassen trug, sie hatte ein Kleid an und– was für ein Kleid! Schwarz wie Ebenholz und schulterfrei schmiegte es sich an die lange, schlanke, perfekt gezeichnete Gestalt auf dem Bild, betonte die Kurven und vor allem die Brust mit einem » Sweetheart«-Ausschnitt, der Meredith’ Dekolleté wie ein Valentinstagsherz aussehen ließ. Es lag eng am Körper an, bis zu den Knien herunter, wo es sich plötzlich dramatisch wieder auffächerte. » Ein
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