Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
Krone glänzender, dunkler Zöpfe, die von juwelenbesetzten Kämmen gehalten wurden, langsam ein wenig Fleisch anzusetzen. Das Gleiche galt auch für ihren Körper, insbesondere für ihren Bauch, obwohl sie sich ihre natürliche Anmut bewahrte, während sie sich jetzt auf ein samtbezogenes Sofa setzte. Sie trug ein safranfarbenes Kleid aus Rohseide mit einem apricotfarbenen Unterrock.
» Wir sind so aufgeregt wegen der Anprobe heute Abend«, sagte Elena und deutete mit dem Kopf auf das Skizzenbuch.
» Ich bin selbst aufgeregt wie ein Kind«, gab Lady Ulma zu. » Ich wünschte nur, ich könnte für euch ein Zehntel von dem tun, was ihr für mich getan habt.«
» Das haben Sie bereits getan«, erwiderte Elena. » Und wenn wir die Fuchsschlüssel finden, dann nur deshalb, weil Sie uns so sehr geholfen haben. Und das… ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viel mir das bedeutet«, beendete sie ihren Satz beinahe im Flüsterton.
» Aber Ihr konntet nicht einmal ahnen, dass ich Euch helfen könnte, als Ihr für eine zerschundene Sklavin dem Gesetz getrotzt habt. Ihr wolltet mich einfach retten– und Ihr habt dafür sehr viel leiden müssen«, antwortete Ulma leise.
Elena verlagerte unbehaglich ihr Gewicht. Die Schnittwunde in ihrem Gesicht hatte nur eine dünne weiße Narbe entlang des Wangenknochens hinterlassen. Früher– als sie das erste Mal aus dem Jenseits auf die Erde zurückgekehrt war– hätte sie die Narbe mit einer simplen Geste der Macht wegwischen können. Aber obwohl sie ihre Macht jetzt durch ihren Körper zirkulieren und sie benutzen konnte, um ihre Sinneswahrnehmungen zu verstärken, war es ihr nicht möglich, sie auf eine andere Weise ihrem Willen unterwerfen.
Und früher, dachte sie, und stellte sich die Elena vor, die auf dem Parkplatz der Robert-Lee-Highschool gestanden und wegen eines Porsches geschmachtet hatte, hätte sie die Verunstaltung ihres Gesichtes für das größte Unglück ihres Lebens gehalten. Aber nachdem Damon sie als » weiße Wunde der Ehre« bezeichnet hatte und angesichts all dem Lob und der Anerkennung, die ihr zuteil geworden waren, sowie ihrer Gewissheit, dass eine Narbe auf ihrer Wange Stefano ebenso wenig bedeuten würde wie ihr eine Narbe auf seiner Wange, konnte sie das Ganze einfach nicht allzu ernst nehmen.
Ich bin nicht mehr dieselbe wie früher, dachte sie, und ich bin froh darüber.
» Vergessen Sie es«, sagte sie und ignorierte den Schmerz in ihrem Bein, der bisweilen immer noch pulsierte. » Lassen Sie uns lieber über die Silberne Nachtigall und ihre Gala sprechen.«
» Richtig«, meldete Meredith sich zu Wort. » Was wissen wir über sie? Wie lautete der Hinweis noch einmal, Elena?«
» Misao hat gesagt: ›Wenn ich sagte, eine der Hälften befände sich im Instrument der Silbernen Nachtigall, würde dir das irgendwie weiterhelfen? ‹ – oder etwas in der Art«, wiederholte Elena gehorsam. Sie alle kannten die Worte inzwischen auswendig, aber ihre Wiederholung war bereits zu einem Ritual geworden, wann immer sie darüber sprachen.
» Und ›Silberne Nachtigall ‹ ist der Beiname für Lady Fazina Darley und alle in der Dunklen Dimension wissen es!«, rief Bonnie und klatschte in purem Entzücken in die Hände.
» In der Tat, das ist schon lange ihr Beiname. Er wurde ihr gegeben, als sie hierherkam und das erste Mal gesungen und auf ihren mit silbernen Saiten bespannten Harfen gespielt hat«, warf Lady Ulma ernst ein.
» Und Harfensaiten müssen gestimmt werden und sie werden mit Schlüsseln gestimmt«, fuhr Bonnie aufgeregt fort.
» Ja.« Im Gegensatz zu ihrer Freundin sprach Meredith langsam und nachdenklich. » Aber der Schlüssel, nach dem wir suchen, ist kein Schlüssel zum Harfenstimmen. Diese Schlüssel sehen so aus.« Auf einen Tisch neben sich legte sie einen Gegenstand aus glattem blassem Ahorn, der aussah wie ein sehr kurzes T oder, wenn man ihn auf die Seite drehte, wie ein sich anmutig wiegender Baum mit einem einzigen kurzen horizontalen Zweig. » Den habe ich von einem der Minnesänger, die Damon engagiert hat.«
Bonnie sah den Stimmschlüssel stirnrunzelnd an. » Aber der Schlüssel, nach dem wir suchen, könnte ein Schlüssel zum Stimmen von Harfen sein«, beharrte sie. » Er könnte irgendwie für beide Dinge benutzt werden.«
» Ich sehe nicht, wie«, widersprach Meredith halsstarrig. » Es sei denn, sie wechseln die Gestalt, wenn die beiden Hälften zusammenkommen.«
» Ach herrje, ja«, warf Lady Ulma ein, als hätte Meredith
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