Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
festgehalten, flach auf dem Kopf lagen. Ihr herzförmiges Gesicht hatte noch nie so reif ausgesehen, so raffiniert. Zu smaragdgrünen Lidern und von Kohlstift umrahmten Augen hatte Lady Ulma einen leuchtend roten Lippenstift hinzugefügt; ausnahmsweise einmal hatte sie ihre Regel gebrochen und selbst mit dem Rougepinsel hie und da Hand angelegt, sodass Bonnies durchscheinende Haut aussah, als erröte sie ständig über irgendein Kompliment. Zierliche geschnitzte Jadeohrringe mit goldenen Glöckchen darin vervollständigten das Ensemble und Bonnie fühlte sich wie eine Prinzessin aus dem Alten Orient.
» Es ist wirklich ein Wunder. Im Allgemeinen sehe ich aus wie eine Fee, wenn ich versuche, mich zurechtzumachen«, vertraute sie Lady Ulma an und küsste sie wieder und wieder, entzückt über die Feststellung, dass der Lippenstift auf ihren Lippen blieb, statt auf den Wangen ihrer Gönnerin zu landen. » Aber heute Abend werde ich aussehen wie eine junge Frau.«
Sie hätte wohl immer weitergeplappert, hilflos, sich zu bremsen, obwohl Lady Ulma bereits versuchte, sich diskret Tränen aus den Augen zu tupfen– bis in diesem Moment Elena hereinkam und allen die Luft wegblieb.
Elenas Kleid war erst später fertig gestellt worden und so hatte Bonnie bisher nur die Zeichnung gesehen. Aber irgendwie hatte die Zeichnung nicht zu übermitteln vermocht, was genau dieses Kleid aus Elena machen würde.
Bonnie hatte sich insgeheim gefragt, ob Lady Ulma vielleicht zu viel der natürlichen Schönheit Elenas überließ, und sie hoffte, dass Elena von ihrem eigenen Kleid ebenso begeistert sein würde, wie alle es von Bonnies und Meredith’ Kleidern waren.
Aber jetzt verstand Bonnie.
» Man nennt es ein ›Göttinnenkleid ‹ «, erklärte Lady Ulma in das benommene Schweigen hinein, als Elena den Raum betrat. Und Bonnie dachte, dass Göttinnen, wenn sie jemals tatsächlich auf dem Olymp gelebt hatten, sich gewiss so hätten kleiden wollen.
Der Trick des Kleides lag in seiner Schlichtheit. Es war aus milchweißer Seide gemacht, mit einer eng plissierten Taille, von der aus zwei einfache Stoffbahnen nach oben führten und einen tiefen, v-förmigen Ausschnitt bildeten, von dem Elenas pfirsichfarbene Haut sich gut abhob. Die Stoffbahnen wurden an den Schultern von zwei goldenen, mit Perlmutt und Diamanten besetzten Spangen gehalten. Von der Taille fiel der Rock gerade in eleganten Falten bis auf die graziösen Sandaletten, ebenfalls golden und mit Perlmutt und Diamanten verziert. Auf dem Rücken verjüngten sich die über die Schultern geführten Bahnen des Vorderteils zu Trägern, die über Kreuz zurück zur plissierten Taille führten.
Ein so schlichtes Kleid, das an dem richtigen Mädchen umso prachtvoller wirkte.
Um den Hals trug Elena eine exquisit entworfene Kette aus Gold und Perlmutt in der stilisierten Form eines Schmetterlings. Und es waren so viele Diamanten darin verarbeitet, dass die Kette, wann immer Elena sich bewegte und die Steine das Licht einfingen, in einem vielfarbigen Feuer zu lodern schien. Sie trug diese Kette über ihrem Anhänger aus Lapislazuli und Diamant, den Stefano ihr geschenkt hatte, da sie sich rundheraus weigerte, den Anhänger abzulegen. Es spielte keine Rolle. Der Schmetterling verdeckte den Anhänger vollkommen.
An jedem Handgelenk trug Elena einen breiten Armreif aus Gold und Perlmutt mit Diamanten, Kreationen, die sie in dem geheimen Schmuckzimmer gefunden hatten, und die offensichtlich zu der Kette passten.
Und das war alles. Elenas Haar war gebürstet und gebürstet und gebürstet worden, bis es eine seidige Woge von Wellen formte, die ihr über die Schultern fielen, und sie trug einen Hauch rosenfarbenen Lippenstift. Aber ihr Gesicht mit den dichten schwarzen Wimpern und den helleren gebogenen Brauen hatte Lady Ulma vollkommen in Ruhe gelassen. Ohrringe, die einfache Kaskaden von Diamanten waren, lugten durch ihre goldenen Flechten.
Sie wird heute Nacht alle Männer in den Wahnsinn treiben, dachte Bonnie und betrachtete das außergewöhnliche Kleid mit etwas Neid, aber ohne Eifersucht. Stattdessen schwelgte sie in der Vorstellung von der Sensation, die Elena verursachen würde. Sie trägt das schlichteste Gewand von uns allen, aber sie stellt Meredith und mich vollkommen in den Schatten.
Doch auch Meredith hatte nie besser ausgesehen– oder exotischer. Bonnie hatte gar nicht gewusst, dass ihre Freundin eine solch umwerfende Figur besaß, und das trotz Meredith’ breiter Palette
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