Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
zwanzig Minuten! Halte sie irgendwie hin; verschaff mir– mindestens– zwanzig Minuten. Ich werde mir etwas ausdenken, und wenn es mich umbringt.«
Einen Moment später sah Sage ihr in die Augen und nickte. » In Ordnung.«
Dann sah Elena Dr. Meggar flehentlich an. Hatte er etwas– gab es irgendetwas–, das Stefano helfen würde?
Dr. Meggar senkte die Brauen, dann hoben sie sich langsam wieder. Es war ein Ausdruck der Trauer, der Verzweiflung. Aber schließlich runzelte er die Stirn und flüsterte: » Es gibt da etwas Neues– eine Injektion, von der es heißt, sie würde in schweren Fällen helfen. Ich könnte es versuchen.«
Elena tat ihr Bestes, sich ihm nicht zu Füßen zu werfen. » Bitte! Bitte, versuchen Sie es! Bitte! «
» Es wird nicht länger helfen als einige wenige Tage…«
» Das braucht es auch nicht! Bis dahin werden wir ihn herausholen!«
» In Ordnung.« Sage hatte inzwischen alle Wachen weggeführt mit der Bemerkung: » Ich bin ein Juwelenhändler, und es gibt da etwas, das ihr alle sehen solltet.«
Dr. Meggar öffnete seine Tasche und nahm eine Spritze heraus. » Hölzerne Nadel«, sagte er mit einem hohlen Lächeln, während er sie mit einer klaren roten Flüssigkeit aus einer Phiole aufzog. Elena hatte eine weitere Spritze genommen und untersuchte sie eifrig, während Dr. Meggar Stefano mit Gesten bedeutete, den Arm vor den Drahtverhau zu halten. Endlich tat Stefano, was Dr. Meggar wollte– nur um mit einem Schmerzensschrei zurückzuspringen, als ihm eine Spritze in den Arm gerammt und brennende Flüssigkeit injiziert wurde.
Elena sah den Arzt verzweifelt an. » Wie viel hat er bekommen?«
» Nur ungefähr die Hälfte. Aber es ist schon gut– ich habe die doppelte Dosis aufgezogen und so fest gedrückt, wie ich konnte, um das«– irgendein medizinisches Wort, das Elena nicht kannte– » in ihn hineinzubekommen. Ich wusste, dass es ihm mehr wehtun würde, wenn ich es so schnell injiziere, aber ich habe geschafft, was ich wollte.«
» Gut«, erwiderte Elena überglücklich. » Jetzt will ich, dass Sie diese Spritze mit meinem Blut füllen.«
» Blut?« Dr. Meggar sah sie entsetzt an.
» Ja! Die Spritze ist lang genug, um sie durch den Stacheldraht zu schieben. Das Blut wird auf der anderen Seite heraustropfen. Er kann es trinken. Es wird ihn vielleicht retten!« Elena sprach jedes Wort mit großer Sorgfalt aus, als rede sie mit einem Kind. Sie wurde von dem verzweifelten Verlangen getrieben, ihm verständlich zu machen, was sie meinte.
» Oh Elena.« Der Arzt setzte sich und holte eine versteckte Flasche schwarzmagischen Weins aus seiner Robe. » Es tut mir so leid, aber es ist schwer genug für mich, eine Flüssigkeit aus einer Phiole zu bekommen. Meine Augen, Kind– sie sind ruiniert.«
» Aber was ist mit einer Brille…?«
» Die nutzt mir nichts mehr. Es ist eine komplizierte Angelegenheit. Aber man muss in jedem Fall wirklich gut sehen, um eine Vene anzuzapfen. Die meisten Ärzte sind diesbezüglich ein ziemlich hoffnungsloser Fall; ich bin unmöglich. Es tut mir leid, Kind. Aber es sind zwanzig Jahre vergangen, seit ich das das letzte Mal gemacht habe.«
» Dann werde ich Damon suchen und mir von ihm die Aorta öffnen lassen. Es kümmert mich nicht, wenn es mich umbringt.«
» Aber mich kümmert es.«
Die Stimme kam aus der grell erleuchteten Zelle vor ihnen und sowohl der Arzt als auch Elena rissen den Kopf hoch.
» Stefano! Stefano! Stefano!« Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was der Rasierklingenzaun mit ihrem Fleisch machen würde, beugte Elena sich vor und versuchte, nach seinen Händen zu greifen.
» Nein«, flüsterte Stefano, als teile er ein kostbares Geheimnis mit ihr. » Leg die Finger hierher und hierher – auf meine. Dieser Zaun ist nur aus besonders behandeltem Stahl– er betäubt meine Macht, aber er kann meine Haut nicht aufreißen.«
Elena gehorchte. Und dann berührte sie Stefano. Berührte ihn wirklich. Nach so langer Zeit.
Keiner von ihnen sagte etwas. Elena hörte, wie Dr. Meggar aufstand und leise davonschlich– zu Sage, vermutete sie. Aber ihre Gedanken gehörten nur Stefano. Sie und er sahen einander einfach an, auf ihren Wimpern zitterten Tränen und sie fühlten sich sehr jung.
Und dem Tod sehr nah.
» Du sagst, ich bringe dich immer dazu, es zuerst zu sagen, daher werde ich dir jetzt trotzen. Ich liebe dich, Elena.«
Tränen fielen aus Elenas Augen.
» Erst heute Morgen habe ich darüber nachgedacht, wie viele
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