Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
und majestätisch hob Elena den Kopf.
Damon straffte die Schultern– als fiele irgendetwas von ihm ab.
» Es ist ein Ring«, stellte er dumpf fest. Die langsame, majestätische Geste hatte überhaupt keine Wirkung auf ihn gehabt.
» Das dachte ich zuerst auch. Aber es ist ein Schlüssel. Ich frage dich nicht oder erwarte deine Bestätigung; ich sage es dir. Es ist ein Schlüssel. Das Licht aus seinen Augen zeigt auf Stefano.«
» Welches Licht?«
» Ich werde es dir später zeigen. Bonnie! Meredith! Wir gehen.«
» IHR GEHT NICHT, BEVOR ICH ES NICHT SAGE!«
» Pass auf!«, schrie Bonnie.
Die Eule schoss wieder herab. Und wieder packte Damon auf die letzte Sekunde die drei Mädchen und sprang. Der Schnabel der Eule traf nicht auf Glas oder Scherben, sondern auf die marmornen Stufen. Sie zersprangen. Ein Schmerzensschrei wurde laut und ein weiterer, als Damon, leichtfüßig wie ein Tänzer, nach dem gesunden Auge der Eule schlug. Er riss eine Wunde direkt darüber auf. Blut begann das Auge zu füllen.
Elena konnte es nicht länger ertragen. Seit sie sich mit Damon und Matt auf diese Reise gemacht hatte, fühlte sie sich wie eine Phiole, die sich mehr und mehr mit Ärger füllte. Tropfen für Tropfen hatte jeder neue Ärger die Phiole immer höher gefüllt. Jetzt drohte ihr Zorn überzulaufen.
Aber dann… was würde dann geschehen?
Sie wollte es nicht wissen. Sie hatte Angst, dass sie es nicht überleben würde.
Was sie jedoch wusste, war, dass sie in diesem Moment nicht noch mehr Schmerz und Blut und Qual mit ansehen konnte. Damon genoss den Kampf sichtlich. Gut. Sollte er ruhig. Sie würde zu Stefano gehen, und wenn sie den ganzen Weg zu Fuß zurücklegen musste.
Meredith und Bonnie schwiegen. Sie sahen Elena ihre Stimmung an. Sie scherzte nicht. Sie würde gehen. Und keine der beiden wollte zurückgelassen werden.
Genau in diesem Augenblick fuhr die Kutsche holpernd am Fuß der marmornen Treppe vor.
Sage, der offensichtlich nicht nur etwas über die menschliche Natur wusste, sondern auch über die dämonische und die vampirische sowie über die Natur verschiedener Arten von Bestien, sprang mit zwei gezückten Schwertern aus der Kutsche. Außerdem pfiff er. Im nächsten Moment kam ein kleiner Schatten vom Himmel auf ihn herabgeschossen.
Zuletzt und langsam kam Saber an, der jedes Bein streckte wie ein Tiger und sofort die Lefzen zurückzog, um eine erstaunliche Anzahl von Zähnen zu zeigen.
Elena rannte auf die Kutsche zu und sah Sage in die Augen. Hilf mir, dachte sie verzweifelt. Und seine Augen sagten genauso deutlich: Hab keine Furcht.
Blind griff sie mit beiden Händen hinter sich. Eine kleine, feinknochige und leicht zitternde Hand schob sich in ihre. Eine schlanke, kühle Hand, hart wie die eines Jungen, aber mit langen, spitz zulaufenden Fingern packte ihre andere Hand.
Es gab hier niemanden, dem sie trauen konnte. Niemanden, von dem sie sich verabschieden oder für den sie eine Grußnachricht hinterlassen musste. Elena kletterte in die Kutsche. Sie setzte sich so auf die Rückbank, dass sie weiteren Menschen und Tieren Platz ließ.
Und da kamen sie auch schon, wie eine Lawine. Sie hatte Bonnie und Meredith neben sich gezerrt, sodass Saber, als er auf seinen gewohnten Platz sprang, auf drei weichen Schößen landete.
Sage hatte keinen Augenblick vergeudet. Mit Talon auf der linken Faust ließ er Damon gerade genug Platz für einen letzten Sprung in die Kutsche– und was für einen Sprung. Krachend und berstend schlug Lady Blodwedds Schnabel, aus dem schwarze Flüssigkeit sickerte, auf das Ende der Marmortreppe– wo Damon eben noch gestanden hatte.
» Wohin?«, rief Sage, aber erst nachdem die Pferde zu galoppieren begonnen hatten– irgendwohin, ganz gleich, wo, nur fort.
» Oh, bitte, lass nicht zu, dass sie die Pferde verletzt«, stieß Bonnie hervor.
» Oh, bitte, lass nicht zu, dass sie dieses Dach wie Pappkarton aufreißt«, äffte Meredith sie nach, die selbst dann noch ironisch klang, wenn ihr Leben in Gefahr war.
» Wohin? S’il vous plaît! «, brüllte Sage.
» Zum Gefängnis natürlich«, keuchte Elena. Sie hatte das Gefühl, dass sie schon viel zu lange nicht mehr genug Luft bekam.
» Zum Gefängnis?« Damon wirkte geistesabwesend. » Ja! Zum Gefängnis!« Aber dann zog er etwas hervor, das wie ein mit Billardkugeln gefüllter Kissenbezug aussah, und fügte hinzu: » Sage, was ist das?«
» Beute. Abfall. Plunder. «
Als die Pferde in die neue Richtung schwenkten,
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