Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
schien Sages Stimmung immer besser zu werden. » Und schaut mal auf den Boden!«
» Noch mehr Kissenbezüge…?«
» Ich war heute Abend nicht auf so große Beute vorbereitet. Die Dinge haben sich auch ohne Rache an den Kitsune gut entwickelt!«
Inzwischen ertastete Elena selbst einen der Kissenbezüge. Er war tatsächlich voller klarer, blitzender hoshi no tama. Sternenbälle. Erinnerungen. Im Wert von…
Wertlos?
» Unbezahlbar… obwohl wir natürlich nicht wissen, was in ihnen ist.« Sages Stimme veränderte sich merklich. Elena erinnerte sich an die Rede über die » verbotenen Kugeln.« Was, im Namen der gelben Sonne, konnte hier denn verboten sein?
Bonnie war die Erste, die nach einem Sternenball griff und ihn an ihre Schläfe legte. Sie tat es so schnell, mit solch blitzartigen vogelähnlichen Bewegungen, dass Elena sie nicht daran hindern konnte.
» Was ist los?«, stieß Elena hervor und versuchte, den Sternenball wegzuziehen.
» Es ist… Dichtung. Dichtung, die ich nicht verstehen kann«, antwortete Bonnie ungehalten.
Auch Meredith hatte nach einer glänzenden Kugel gegriffen. Elena streckte die Hand nach ihrer Freundin aus, aber wieder kam sie zu spät.
Meredith saß einen Moment lang wie in Trance da, dann verzog sie das Gesicht und nahm die Kugel weg.
» Was?«, fragte Elena.
Meredith schüttelte den Kopf. Sie blickte erstaunt und erschrocken zugleich drein.
» Was?« Elena brüllte beinahe. Als Meredith den Sternenball zu ihren Füßen legte, stürzte Elena sich geradezu darauf. Sie presste ihn an ihre eigene Schläfe und plötzlich sah Elena ein Mädchen in ärmlicher Kleidung, die jedoch nicht aus Sackleinen bestand. Es sah verängstigt aus. Elena fragte sich, ob es kontrolliert wurde.
Das Mädchen war Elena.
Bitte mach, dass es mich nicht kriegt. Bitte mach, dass es mich nicht kriegt –
Was soll dich nicht kriegen?, fragte Elena, aber es war, als lese sie in einem Buch oder schaue vielmehr einen Film, in dem das Mädchen während eines heulenden Sturms in ein einsames Haus ging und die Musik immer unheimlicher wurde. Die Elena, die in Furcht wandelte, konnte die andere Elena nicht hören, die praktische Fragen stellte.
Ich glaube nicht, dass ich sehen will, wie das ausgeht, befand sie. Sie legte den Sternenball wieder zu Meredith’ Füßen.
» Wie viele von diesen… Kissenbezügen haben wir?«
» Wir haben drei Säcke voll.«
Oh. Das hörte sich nicht gut an. Elena öffnete abermals den Mund, als Damon leise hinzufügte: » Und einen leeren Sack.«
» Wirklich? Dann sollten wir diese Kugeln unter uns aufteilen. Alles, was uns verboten erscheint, wandert in einen Sack. Unheimliche Sachen wie Bonnies Dichterlesung kommen in einen anderen. Alles, was mit Stefano zu tun hat– oder uns– kommt in den dritten Sack. Und schöne Dinge wie Sommertage kommen in den vierten«, sagte Elena.
» Ich denke, das ist sehr optimistisch«, bemerkte Sage. » Zu erwarten, so schnell eine Kugel mit Stefano darin zu finden…«
» Seid mal alle still!«, rief Bonnie hektisch. » Hier ist Shinichi, wie er gerade Damon verleitet.«
Sage versteifte sich, als nehme er einen Blitz von einem stürmischen Himmel auf sich, dann lächelte er. » Wenn man vom Teufel spricht«, murmelte er. Elena lächelte ihn an und drückte seine Hand, bevor sie nach einer weiteren Kugel griff.
» Diese hier scheint irgendeinen juristischen Kram zu beinhalten. Ich verstehe es nicht. Es muss aus der Erinnerung eines Sklaven sein, weil ich sie alle sehen kann.« Elena spürte, wie ihre Gesichtsmuskeln sich vor Hass auf Shinichi– selbst in dieser Art von Traum– verkrampften. Der Kitsune hatte so viel Böses angerichtet. Sein Haar war schwarz bis auf einen unregelmäßigen Kranz an den Spitzen, der es aussehen ließ, als sei es in rotglühende Lava getaucht worden.
Und dann war da natürlich noch Misao. Shinichis Schwester– angeblich. Diese Sternenkugel musste von einem Sklaven gemacht worden sein, denn sie konnte beide Zwillinge sehen und einen Mann, der wie ein Rechtsanwalt aussah.
Misao, dachte Elena. Zierlich, ehrerbietig… dämonisch. Ihr Haar glich dem von Shinichi, aber sie trug es zu einem Pferdeschwanz gebunden. Wenn sie den Blick hob, sprach der Dämon aus ihr: Ihre Augen waren übersprudelnd, golden, lachend, genau wie die ihres Bruders; Augen, die niemals Bedauern zeigten– es sei denn vielleicht, weil sie nicht genug Rache geübt hatten. Sie übernahmen keine Verantwortung. Sie fanden Qual
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