Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
Papierhandtüchern und kaltem Wasser zu waschen, bürstete sich das Haar und zog eine neue Jeans an sowie ein frisches weißes Top, das vorn wie ein Korsett geschnürt wurde. Schließlich würde sie vielleicht bald wieder im Halbschlaf eine außerkörperliche Erfahrung haben und Stefano wiedersehen.
Über eines wollte sie nicht nachdenken: dass sie nach Matts Verschwinden mit Damon allein war, einem ungezähmten Vampir, und mit ihm quer durch die Vereinigten Staaten einem Ziel entgegenfuhr, das buchstäblich nicht von dieser Welt war.
Als Elena endlich von der Damentoilette zurückkehrte, war Damon kalt und ausdruckslos– obwohl sie bemerkte, dass er sich trotzdem die Zeit nahm, sie zu mustern.
Oh verdammt, dachte Elena. Ich habe mein Tagebuch im Wagen gelassen.
Sie wusste mit einer Sicherheit, als hätte sie ihn dabei beobachtet, dass er es gelesen hatte, und sie war dankbar, dass darin nichts davon stand, wie sie ihren Körper verlassen und Stefano gefunden hatte. Obwohl sie glaubte, dass Damon Stefano ebenfalls befreien wollte– wenn sie es nicht geglaubt hätte, säße sie bestimmt nicht bei ihm in diesem Wagen–, hielt sie es doch für besser, ihn nicht wissen zu lassen, dass sie als Erste dort gewesen war. Damon genoss es ebenso wie sie, das Sagen zu haben. Und er genoss es auch, jeden Polizeibeamten zu beeinflussen, der ihn an den Straßenrand winkte, weil er das Tempolimit überschritten hatte.
Aber heute war er selbst an seinen eigenen Maßstäben gemessen übellaunig. Elena wusste aus erster Hand, dass Damon, wenn er denn wollte, eine bemerkenswert gute Gesellschaft sein konnte, dass er haarsträubende Geschichten und Witze erzählte, bis selbst voreingenommene und schweigsamste Passagiere einfach lachen mussten.
Aber heute wollte er nicht einmal auf Elenas Fragen antworten, geschweige denn, über ihre eigenen Witze lachen. Das eine Mal, als sie versuchte, körperlichen Kontakt herzustellen, indem sie ihn leicht am Arm berührte, zuckte er zurück, als könne sie womöglich seine schwarze Lederjacke ruinieren.
Na wunderbar, dachte Elena niedergeschlagen. Sie lehnte den Kopf an die Fensterscheibe und betrachtete die Landschaft, die überall gleich aussah. Ihre Gedanken schweiften ab.
Wo war Matt jetzt? Vor ihnen oder hinter ihnen? Hatte er gestern Nacht überhaupt geschlafen? Fuhr er jetzt durch Texas? Hatte er genug zu essen? Elena blinzelte gegen Tränen an, die in ihren Augen aufstiegen, wann immer sie sich daran erinnerte, wie er ohne einen Blick zurück weggegangen war.
Elena war eine Anführerin. Sie konnte dafür sorgen, dass sich beinahe jede Situation annehmbar entwickelte, solange die Leute um sie herum normale, vernünftige Wesen waren. Und Jungen zu zeigen, wo es langging, war ihre Spezialität. Sie hatte damit auf der Junior-Highschool angefangen. Aber jetzt, ungefähr zweieinhalb Wochen nach ihrer Rückkehr vom Tod, aus der Geisterwelt, an die sie sich nicht erinnern konnte, wollte sie nicht mehr anführen.
Das war es, was sie an Stefano liebte. Sobald sie seinen Reflex überwunden hatte, sich von allem fernzuhalten, was ihm lieb und teuer war, bedurfte er keiner weiteren Anleitung. Bis auf ihre sanftesten Andeutungen, dass sie zu einer Expertin in Sachen Vampire geworden war. Eine Expertin, nicht was das Jagen oder Töten von Vampiren betraf, sondern die Liebe aus sicherem Abstand. Elena wusste selbst am besten, wann es richtig war zu beißen oder besser gesagt gebissen zu werden und wann sie dem Einhalt gebieten musste und wie sie sich menschlich halten konnte.
Aber abgesehen von diesen sanften Hinweisen, hatte sie Stefano auch niemals nach ihrem Willen lenken wollen. Sie wollte einfach bei ihm sein. Danach konnten die Dinge sich selbst regeln.
Elena konnte ohne Stefano leben– hatte sie gedacht. Aber genauso, wie sie durch die Trennung von Meredith und Bonnie das Gefühl hatte, sie lebe ohne ihre beiden Hände, war das Dasein ohne Stefano, als versuche sie, ohne ihr Herz zu leben. Er war ihr Partner in dem Großen Tanz; ihr ebenbürtig und ihr entgegengesetzt; ihr Geliebter und ihr Liebhaber in denkbar reinstem Sinne. Er war für sie die andere Hälfte in den Heiligen Mysterien des Lebens.
Nachdem sie ihn gestern endlich wiedergesehen hatte– und selbst wenn es nur ein Traum gewesen sein sollte, was zu akzeptieren sie nicht bereit war–, vermisste Elena ihn so sehr, buchstäblich schmerzlich: Das Gefühl, seiner zu entbehren, war wie ein pulsierender Schmerz in ihr. Ein so
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