Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
konnte sie beeinflussen, damit sie der Schwerkraft nachgab. Aber bisher hatte sie nicht den leisesten Anflug von Einflussnahme wahrgenommen. Es war, als wolle er ihr immer noch die Ehre der freien Wahl lassen. Er würde sie nicht durch eine seiner vielen gewohnten Methoden verführen, durch die Tricks der Beherrschung des anderen, die er in den Nächten vor mehr als einem halben Jahrtausend erlernt hatte.
Da war nur sein Atem, der immer schneller und schneller ging, während Elena spürte, wie ihre Sinne verschwammen und ihr Herz zu hämmern begann. War sie sich wirklich sicher, dass Stefano dies hier nichts ausmachen würde? Aber Stefano hatte ihr die größtmögliche Ehre erwiesen, indem er auf ihre Liebe und ihr Urteil vertraute. Und sie begann, Damons wahres Ich zu spüren, sein überwältigendes Bedürfnis nach ihr, seine Verletzbarkeit, weil dieses Bedürfnis für ihn zu etwas wie einer Obsession geworden war.
Ohne den Versuch, sie zu beeinflussen, breitete er große, weiche, dunkle Flügel um sich herum aus, sodass sie nirgendwohin laufen konnte, nirgendwohin fliehen. Elena schwanden die Sinne durch die Intensität der Leidenschaft, die zwischen ihnen knisterte. Als eine letzte Geste, nicht der Zurückweisung, sondern der Einladung, legte sie den Kopf in den Nacken, entblößte ihm ihre Kehle und ließ ihn ihre Sehnsucht spüren.
Und als läuteten in der Ferne große Kristallglocken, spürte sie seinen Jubel angesichts ihrer freiwilligen Kapitulation vor der samtenen Dunkelheit, die jetzt die Kontrolle übernahm.
Sie spürte die Zähne nicht, die ihre Haut durchbrachen und ihr Blut für sich forderten. Bevor das geschah, sah sie Sterne. Und dann wurde das Universum von Damons dunklen Augen verschluckt.
Kapitel Zehn
Am nächsten Morgen stand Elena leise auf und zog sich an. Damon war fort, aber das hatte sie erwartet. Seit sie unterwegs waren, frühstückte er immer sehr früh, lauerte Kellnerinnen an rund um die Uhr geöffneten Truckstops auf oder an Imbissbuden, die schon in aller Frühe offen hatten.
Eines Tages würde sie das mit ihm besprechen, überlegte sie, während sie ein Kaffee-Pad in die kleine Zweitassenmaschine legte, die zur Einrichtung des Zimmers gehörte. Der Kaffee roch gut.
Aber noch dringender musste sie mit irgendjemandem darüber reden, was in der vergangen Nacht geschehen war. Stefano war natürlich ihre erste Wahl, aber sie hatte festgestellt, dass außerkörperliche Erfahrungen sich nicht auf Kommando einstellten. Stattdessen musste sie Bonnie und Meredith anrufen. Sie musste mit ihnen reden– es war ihr gutes Recht–, aber gerade jetzt konnte sie das nicht tun. Intuitiv spürte sie, dass jeder Kontakt zwischen ihr und Fell’s Church schlimme Folgen haben konnte.
Und Matt hatte sich immer noch nicht gemeldet. Kein einziges Mal. Sie hatte keine Ahnung, wo genau er im Augenblick war, aber das spielte auch keine Rolle, solange er rechtzeitig in Sedona eintraf. Jedenfalls hatte er bewusst jede Kommunikation zwischen ihnen abgebrochen. Schön.
Aber… Elena musste trotzdem reden. Sich ausdrücken.
Natürlich! Sie war eine Idiotin! Sie hatte doch noch immer ihren getreuen Gefährten, der niemals ein Wort sagte und sie niemals warten ließ. Nachdem sie sich eine Tasse brühheißen schwarzen Kaffee eingeschenkt hatte, wühlte Elena ihre Reisetasche durch und förderte aus deren Tiefen ihr Tagebuch hervor. Sie schlug eine neue, saubere Seite auf– es ging doch nichts über eine frische Seite und einen Tintenstift mit sanftem Strich–, um mit dem Schreiben anzufangen.
Eine Viertelstunde später hörte sie ein Klappern am Fenster und eine Minute später trat Damon hindurch. Er hatte mehrere Papiertüten bei sich und ein unerklärliches, häusliches Gefühl bemächtigte sich Elenas. Sie hatte den Kaffee beigesteuert, der recht gut war, auch wenn es dazu nur Milchpulver gab statt Kaffeesahne, und Damon hatte in den Tüten…
» Benzin«, erklärte er triumphierend und zog vielsagend die Augenbrauen hoch, als er die Tüten auf den Tisch stellte. » Nur für den Fall, dass sie versuchen, Pflanzen gegen uns einzusetzen. Nein, danke«, fügte er hinzu, als er sah, dass sie mit einer vollen Tasse Kaffee dastand, die sie ihm hinhielt. » Ich hatte eine Automechanikerin, als ich dies gekauft habe. Ich werde mir nur schnell die Hände waschen.«
Als er verschwand, ging er direkt an Elena vorbei.
Ohne einen Blick, obwohl sie die einzigen sauberen Kleider trug, die ihr noch verblieben
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