Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
Süßigkeit aus einer Schale, die einzig ihm vorbehalten war, » hat der junge Vampir Damien Wiedergutmachung– und zwar eine überaus großzügige– für all den Schaden geleistet.« An dieser Stelle folgte eine lange Pause, während er den jungen Drohzne ansah. » Daher wird seine Sklavin, Aliana, die dieses ganze Durcheinander ausgelöst hat, nicht ergriffen und öffentlich versteigert werden, aber sie wird sich hier demütig unterwerfen und die Strafe empfangen, von der sie weiß, dass sie sie verdient hat.«
Elena war benommen. Sie wusste nicht, ob es an all dem Rauch lag, der zu ihr heruntergeweht war, aber die Worte » öffentlich versteigert« hatten ihr einen Schock versetzt, der sie beinahe das Bewusstsein verlieren ließ. Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass das geschehen konnte– und die Bilder, die dadurch heraufbeschworen wurden, waren extrem unerfreulich. Außerdem registrierte sie ihren und Damons neuen Namen. Aber das war tatsächlich ein glücklicher Umstand, dachte sie, schließlich wäre es am besten, wenn Shinichi und Misao niemals von diesem kleinen Abenteuer hörten.
» Bringt die Sklavin zu uns«, kam der dicke Mann zum Schluss und setzte sich wieder auf einen großen Stapel von Kissen.
Elena wurde auf die Füße gezogen, von ihrem Knebel befreit und grob nach oben gezerrt, bis sie die vergoldeten Sandalen des Mannes sehen konnte und sein bemerkenswert sauberes Gesicht. Sie hielt den Blick gesenkt wie eine gehorsame Sklavin.
» Hast du diese Anklagen gehört?« Der » Pate« knabberte immer noch an seinen Delikatessen, und als eine Brise deren himmlischen Duft an Elenas Nase wehte, hatte sie plötzlich so viel Speichel für ihren trockenen Mund, wie sie sich nur wünschen konnte.
» Ja, Herr«, sagte sie, da sie nicht wusste, mit welcher Anrede sie sich an ihn wenden sollte.
» Du sprichst mich mit ›Euer Exzellenz ‹ an. Und hast du etwas zu deiner Verteidigung hinzuzufügen?«, fragte der Mann zu Elenas Erstaunen. Ihre automatische Antwort: » Warum fragen Sie mich das, da doch alles schon vorher abgemacht worden ist?«, blieb ihr in der Kehle stecken. Dieser Mann war irgendwie– mehr als jede andere Person, der sie in der Dunklen Dimension begegnet war. Oder tatsächlich in ihrem ganzen Leben. Er hörte den Leuten zu. Er würde mir zuhören, wenn ich ihm von Stefano erzählte, dachte Elena plötzlich. Aber dann überlegte sie, als sie ihre normale vernünftige Haltung wiederfand, was könnte er deswegen unternehmen? Nichts, es sei denn, er konnte etwas Gutes tun und daraus Profit schlagen– oder Macht gewinnen oder einen Feind stürzen.
Trotzdem, er würde vielleicht einen Verbündeten abgeben, wenn sie zurückkehrte, um diesen Ort dem Erdboden gleichzumachen und die Sklaven zu befreien.
» Nein, Euer Exzellenz. Nichts hinzuzufügen«, antwortete sie.
» Und du bist bereit, dich niederzuwerfen und mich und Meister Drohzne um Vergebung zu bitten?«
Dies war die erste Zeile, auf die Elena einen Antworttext hatte. » Ja«, sagte sie, und es gelang ihr, ihre vorformulierte Entschuldigung klar vorzubringen und am Ende hörbar zu schlucken. Aus der Nähe betrachtet konnte sie kleine goldene Flecken auf dem Gesicht des massigen Mannes sehen, auf seinem Schoß, in seinem Bart.
» Also schön. Dieser Sklavin wird als Exempel für andere Unruhestifter die Strafe von zehn Hieben mit der Eschenrute auferlegt. Die Strafe wird von meinem Neffen Clewd ausgeführt werden.«
Kapitel Einundzwanzig
Tumult brach aus. Elena riss den Kopf hoch, verwirrt angesichts der Frage, ob sie noch länger die reuige Sklavin spielen sollte. Die Anführer der Gemeinschaft redeten durcheinander, zeigten mit dem Finger, warfen den Kopf hoch. Damon hatte den Paten gepackt, der seine Rolle bei der Zeremonie für abgeschlossen zu halten schien.
Die bereits alkoholisierte Menge johlte und jubelte. Es sah aus, als würde es einen weiteren Kampf geben; diesmal zwischen Damon und den Männern des Paten, vor allem mit dem Mann namens Clewd.
Elena schwirrte der Kopf. Sie konnte nur bruchstückhafte Sätze auffangen.
» …nur sechs Hiebe, und Ihr habt mir versprochen, dass ich sie ihr verabreiche…«, rief Damon.
» …Denkt Ihr wirklich, dass diese kleinen Kriecher die Wahrheit sagen?«, rief ein anderer Mann zurück.
Ja, ist nicht genau das auch der Pate?, dachte Elena erschrocken. Nur ein größerer, erschreckenderer und zweifellos effizienterer Kriecher, der wiederum einem anderen, noch höhergestellten
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