Tagebuch eines Vampirs 9 - Jagd im Mondlicht
gewesen war und Christopher
beim Kistenschleppen geholfen hatte. Er war cremefarben, aus edlem
Papier und sah aus wie der Umschlag einer Hochzeitseinladung. Darauf
standen – in Schönschrift – nur zwei Worte: Matthew Honeycutt.
»Was ist das denn?«, fragte Christophers Mum neugierig.
Matt zuckte die Achseln, aber sein Herz begann wild zu pochen. Er
hatte schon etwas über solche Einladungen gehört, die ausgewählte Leute
in Dalcrest erhielten, Einladungen, die auf mysteriöse Weise auftauchten,
aber er hatte das immer für ein Märchen gehalten.
Auf der Rückseite des Umschlags entdeckte er ein blaues Wachssiegel,
in das ein kunstvolles V eingeprägt war.
Oh. Nachdem er den Umschlag kurz begutachtet hatte, faltete er ihn
zusammen und schob ihn in seine Gesäßtasche. Wenn es das war, wofür
er es hielt, sollte er es besser allein öffnen.
»Ich schätze, das Schicksal sagt uns, dass das untere Bett dir gehört«,
meinte Christopher freundlich.
»Ja«, antwortete Matt geistesabwesend. Sein Herz hämmerte immer
heftiger und er konnte nicht mehr länger warten. »Entschuldige mich für
einen Moment, okay?«
Er schlüpfte in den Flur hinaus, holte tief Luft und öffnete den Umsch-
lag. Darin steckten ein Blatt desselben edlen Papiers, das mit derselben
Schönschrift beschrieben war, und ein schmales Stück schwarzen Stoffs.
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Fortis Aeturnus
Seit Generationen sind die Besten und Klügsten von Dalcrest Col-
lege auserwählt worden, sich der Vitale Society anzuschließen. In
diesem Jahr ist die Wahl auf Dich gefallen.
Solltest Du wünschen, diese Ehre anzunehmen und einer von uns zu
werden, komm morgen Abend um acht Uhr zum Haupttor des
Campus. Du musst eine Augenbinde tragen und dem ernsten Anlass
gemäß gekleidet sein.
Sag niemandem etwas.
Jetzt war Matts Aufregung so groß, dass er sein Herz beinah hämmern
hören konnte. Er glitt mit dem Rücken an der Wand zu Boden und holte
tief Luft.
Er hatte schon einige Geschichten über die Vitale Society gehört. Eine
Handvoll bekannter Schauspieler, berühmter Schriftsteller und der große
General aus dem Bürgerkrieg, die Dalcrest alle zu ihren Ehemaligen
zählte, waren angeblich Mitglieder gewesen. Dieser legendären Gesell-
schaft anzugehören, versprach Erfolg und den Kontakt zu einem gehei-
men Netzwerk, das einem das ganze Leben lang helfen würde.
Aber es war noch mehr als das. Die Storys, die er kannte, berichteten
von mysteriösen Taten, von unglaublichen Geheimnissen, die nur den
Mitgliedern der Gesellschaft offenbart wurden. Und diese Gesellschaft
gab angeblich umwerfende Partys.
Matt hatte das Ganze immer für einen Mythos gehalten, für bloßen
Klatsch und Tratsch, zumal sich natürlich niemand offen zu seiner Mit-
gliedschaft bekannte. Das College selbst leugnete jegliches Wissen über
die Vitale Society so vehement, dass Matt argwöhnte, die Zulassungsstelle
habe diesen Club erfunden, um dem College ein geheimnisvolles und ex-
klusives Image zu verpassen.
Aber mit dem cremefarbenen Papier hielt er vielleicht den Beweis in
seinen Händen, dass all die Gerüchte doch der Wahrheit entsprachen. Es
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könnte aber auch ein Scherz sein, ein Streich, den jemand ein paar Erst-
semestern spielt, überlegte Matt. Allerdings fühlte es sich nicht so an wie
ein Streich. Das Wachssiegel, das teure Papier – warum sollte sich je-
mand solche Mühe geben für eine Einladung, die nicht echt war?
Diesen exklusiven Geheimclub von Dalcrest gab es wirklich. Und seine
Mitglieder wollten ihn.
Kapitel Vier
»Typisch Bonnie, dass sie gleich an ihrem ersten Tag im College einen
süßen Jungen kennenlernt«, meinte Elena und zog sorgfältig den Nagel-
lackpinsel über Meredith’ Zehennagel, der in einem matten Pink er-
strahlte. Sie hatten den Abend bei der Einführungsveranstaltung für Erst-
semester verbracht, und jetzt wollten sie sich nur noch entspannen.
»Bist du dir sicher, dass der Nagellack die richtige Farbe hat?«, fragte
Elena. »Ich finde, er sieht nicht gerade nach Sommersonnenuntergang
aus.«
»Mir gefällt er«, erwiderte Meredith und wackelte mit den Zehen.
»Vorsicht! Ich will keinen Nagellack auf meiner neuen Bettdecke«,
warnte Elena sie.
»Zander ist einfach umwerfend «, warf Bonnie ein und streckte sich auf
der anderen Seite des Raums genüsslich auf ihrem Bett aus. »Wartet nur,
bis ihr ihn kennenlernt.«
Meredith lächelte Bonnie an. »Ist das nicht ein tolles Gefühl?
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