Tagebuch eines Vampirs 9 - Jagd im Mondlicht
fragte Meredith und versuchte aufs
Neue, sich selbst ein Bild zu machen.
Doch der Mann trat von einem Fuß auf den anderen, um sie kon-
sequent daran zu hindern. »Kein Grund zur Sorge. Diesmal sind alle
okay.«
»Diesmal?«, hakte Bonnie stirnrunzelnd nach.
Er räusperte sich. »Am besten bleiben Sie abends einfach zusammen,
okay? Sehen Sie zu, dass Sie zu zweit oder in Gruppen gehen, wenn Sie
auf dem Campus unterwegs sind, dann wird Ihnen nichts passieren. Diese
Sicherheitsregel gilt es strikt zu befolgen, kapiert?«
»Aber was ist mit dem Mädchen passiert? Wo ist es?«, erkundigte sich
Meredith.
»Kein Grund zur Sorge«, wiederholte er mit Nachdruck und heftete
seinen Blick auf das schwarze Samtfutteral in Meredith’ Hand. »Was ist
da drin?«
»Ein Queue«, log sie. »Wir wollten im Studentenzentrum Billard
spielen.«
»Na dann, viel Spaß«, antwortete er in einem Tonfall, der eindeutig
aussagte, dass sie verschwinden sollten.
»Werden wir haben«, gab Elena honigsüß zurück und legte eine Hand
auf Meredith’ Arm. Meredith öffnete den Mund, um noch etwas zu fragen,
aber Elena zog sie bereits von dem Wachmann weg in Richtung des
Studentenzentrums.
»Hey«, protestierte Meredith, als sie außer Hörweite waren. »Ich war
noch nicht fertig.«
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»Er hätte uns sowieso nichts mehr verraten«, sagte Elena mit grimmig-
er Miene. »Ich wette, es ist viel mehr passiert als nur ein paar Probleme.
Habt ihr die Krankenwagen gesehen?«
»Wir gehen jetzt aber nicht wirklich zum Studentenzentrum, oder?«,
jammerte Bonnie. »Ich bin müde.«
Meredith schüttelte den Kopf. »Aber es ist besser, wenn wir hinten her-
um zu unserem Wohnheim gehen. Wir machen uns sonst verdächtig,
wenn wir den gleichen Weg nehmen, den wir gekommen sind.«
»Das war unheimlich, nicht wahr?«, bemerkte Bonnie. »Denkt ihr« –
sie hielt inne, und Meredith konnte sehen, wie sie schluckte –, »dass et-
was wirklich Schlimmes passiert ist?«
»Ich habe keine Ahnung«, erwiderte Meredith. »Er meinte, ein Mäd-
chen hätte ein paar Probleme gehabt. Das könnte alles bedeuten.«
»Denkst du, es hat sie jemand überfallen?«, fragte Elena.
Meredith warf ihr einen vielsagenden Blick zu. »Vielleicht«, antwortete
sie. »Oder vielleicht hat irgendetwas sie überfallen.«
»Oh Gott, hoffentlich nicht!«, schauderte Bonnie. »Ich habe für den
Rest meines Lebens genug von irgendetwas .« Sie waren hinter dem
Naturwissenschaftsgebäude einen dunklen, einsamen Pfad entlanggegan-
gen und erreichten jetzt ihr Wohnheim, dessen Eingangslaterne wie ein
Leuchtfeuer für sie strahlte. Alle drei beschleunigten ihren Schritt, um
endlich wieder in die Helligkeit zu gelangen.
»Ich hab den Schlüssel«, bemerkte Bonnie und fischte ihn aus ihrer
Jeans. Sie öffnete die Tür und eilte mit Elena hinein.
Meredith blieb noch draußen stehen. Sie blickte zu dem belebten
Innenhof zurück und dann in den dunklen Himmel über dem Campus.
Welche »Probleme« es auch gegeben hatte, von einem Menschen oder et-
was anderes verursacht, sie wusste, dass sie in Bestform sein musste, um
jederzeit kampfbereit zu sein.
Sie konnte beinahe die Stimme ihres Vaters hören: »Jetzt geht der
Ernst des Lebens los, Meredith.« Es war Zeit, dass sie sich wieder auf ihr
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Training konzentrierte, auf ihre Bestimmung, als eine Sulez unschuldige
Menschen vor dunklen Mächten zu bewahren.
Kapitel Fünf
Die Sonne schien viel zu grell. Bonnie beschirmte ihre Augen mit einer
Hand und sah sich ängstlich um, als sie über den Campus zur Buchhand-
lung ging. In der Nacht zuvor hatte sie lange gebraucht, bis sie eingesch-
lafen war. Was, wenn sich irgendein Verrückter auf dem Campus
herumtrieb?
Es ist helllichter Tag, sagte sie sich. Überall sind Leute. Es gibt über-
haupt keinen Grund, Angst zu haben. Aber auch tagsüber konnten
schlimme Dinge geschehen. Mädchen wurden in Autos gelockt oder beka-
men einen Schlag auf den Kopf und wachten an düsteren Orten wieder
auf. Und auch Ungeheuer lauerten nicht nur in der Nacht. Schließlich
kannte sie mehrere Vampire, die völlig ungeniert tagsüber umher-
schlenderten. Damon und Stefano machten ihr keine Angst, nicht mehr,
aber es gab ja schließlich noch viele andere Tagesungeheuer. Ich will mich
einfach nur ein Mal sicher fühlen, dachte sie sehnsüchtig.
Sie kam zu der Rasenfläche, welche die Polizei in der vergangenen
Nacht abgesucht hatte und die immer noch mit
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