Tagebuch eines Vampirs 9 - Jagd im Mondlicht
mit uns zusammen das College besuchen, Da-
mon. Es ist noch nicht zu spät, um dich einzuschreiben, nicht wenn du
deine Macht einsetzt. Du könntest mit uns auf dem Campus leben.«
Jetzt war Stefano derjenige, der neben ihr erstarrte. Dann holte er lang-
sam Luft, glitt neben Damon und griff nach einem Stapel Kartons. »Das
könntest du wirklich, Damon«, sagte er beiläufig. »Vielleicht macht es
mehr Spaß, als du denkst, es noch mal mit dem Studium zu versuchen.«
Aber Damon schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Ich habe mich bereits
vor mehreren Jahrhunderten vom akademischen Leben verabschiedet«,
sagte er spöttisch. »In meiner neuen Wohnung in der Stadt werde ich mit
Sicherheit viel glücklicher sein und kann euch im Auge behalten, ohne
mich mit Studenten abgeben zu müssen.«
Er und Stefano lächelten einander in schönstem Einvernehmen an.
Richtig, dachte Elena mit einer seltsamen Mischung aus Erleichterung
und Enttäuschung. Sie hatte seine Wohnung zwar noch nicht gesehen,
aber Stefano hatte ihr versichert, dass Damon wie gewöhnlich in Luxus
leben würde, zumindest soweit das die nächstgelegene Stadt bieten
konnte.
»Kommt, Kinder«, forderte Damon sie auf, nahm mühelos mehrere
Koffer und machte sich auf den Weg ins Wohnheim. Stefano folgte ihm
mit seinem Kartonstapel.
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Elena schnappte sich selbst einen Karton und ging hinter den Brüdern
her. Dabei fiel ihr erneut auf, mit welcher natürlichen Anmut und eleg-
anten Kraft sie sich bewegten. Als sie an einigen offenen Türen vorbeika-
men, hörte sie, wie ein Mädchen ihnen bewundernd nachpfiff und dann
atemlos mit ihrer Mitbewohnerin kicherte.
Als sie auf der Treppe waren, geriet Stefanos riesiger Stapel ins Wanken
und ein Karton stürzte herunter, den Damon mühelos auffing, trotz der
Koffer, mit denen er beladen war. Stefano nickte ihm dankbar zu.
Jahrhundertelang waren sie Feinde gewesen und hatten einander sogar
getötet. Jahrhunderte voller Hass, Elend, Eifersucht und Kummer lagen
hinter ihnen, dank Catarina, die sie beide gleichzeitig haben wollte,
während Stefano und Damon ihre große Liebe nicht zu teilen bereit
gewesen waren.
Doch jetzt war alles anders. Sie hatten einen so weiten Weg
zurückgelegt. Seit Damon gestorben und zurückgekehrt war, seit sie ge-
meinsam gegen das Phantom gekämpft und es besiegt hatten, waren sie
Partner geworden. Zwischen ihnen bestand die unausgesprochene Vere-
inbarung, zusammenzuarbeiten und eine kleine Gruppe von Freunden zu
beschützen. Zwischen ihnen bestand jedoch auch das zaghafte Band
echter Zuneigung. Sie vertrauten einander; sie wollten einander nicht
noch einmal verlieren. Sie sprachen nicht darüber, aber Elena wusste,
dass es so war.
Für eine Sekunde schloss sie die Augen. Sie wusste, dass beide sie
liebten. Und die Brüder wussten, dass Elena sie beide liebte. Obwohl,
stellte ihr Gewissen klar, Stefano deine wahre Liebe ist. Gleichzeitig mel-
dete sich der Panther in ihr, räkelte sich und lächelte. Aber Damon, dein
Damon …
Sie schüttelte den Kopf. Sie würde die Brüder nicht entzweien, sie
würde nicht zulassen, dass sie sich um sie stritten. Sie würde nicht tun,
was Catarina getan hatte. Wenn die Zeit reif war für eine Entscheidung,
würde sie sich natürlich für Stefano entscheiden.
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Würdest du das wirklich tun?, schnurrte der Panther träge, und Elena
versuchte, ihn aus ihren Gedanken zu vertreiben.
Ihr Gleichgewicht konnte so leicht gestört werden, alles konnte so leicht
auseinanderbrechen. Doch sie musste dafür sorgen, dass das nie wieder
geschah.
Kapitel Drei
Bonnie schüttelte ihre roten Locken, während sie über die weiten Rasen-
flächen von Dalcrest College eilte. Es war so hübsch hier. Kleine, gep-
flasterte Wege führten zu den verschiedenen Wohnheimen und Unter-
richtsgebäuden. Am Wegesrand und vor den Häusern wuchsen Blumen in
leuchtend bunten Farben – Petunien, Springkraut und Gänseblümchen.
Und vor dieser umwerfenden Kulisse gibt es auch noch ziemlich um-
werfende Darsteller, dachte Bonnie und musterte verstohlen einen
sonnengebräunten Jungen, der nicht weit entfernt auf einem Badetuch
auf dem Rasen lag. Bonnies Blick war allerdings nicht verstohlen genug –
der Junge hob seinen verwuschelten, dunklen Schopf und zwinkerte ihr
zu. Sie kicherte und errötete und ging etwas schneller. Also ehrlich,
dachte sie, sollte der nicht auspacken oder sich in seinem Zimmer ein-
richten oder so
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