Tagebuch eines Vampirs 9 - Jagd im Mondlicht
Kinn zu
packen, damit sie ihn wirklich ansah.
Früher hätte er genau das getan. Zum Teufel, früher hätte er eine Woge
der Macht auf Elena losgelassen, bis sie Wachs in seinen Händen gewesen
wäre, bis sie sich nicht einmal mehr an Stefanos Namen erinnert hätte.
Seine Eckzähne kribbelten vor Verlangen bei dem bloßen Gedanken
daran. Ihr Blut war wie schwarzmagischer Wein.
Nicht dass das jemals besonders gut funktioniert hätte, das musste Da-
mon sich eingestehen. Elena hatte sich seiner Macht alles andere als ge-
horsam gefügt und bei diesem Gedanken verzog sich sein Mund zu einem
harten Lächeln.
Er war nicht länger dieser Mann. Und er wollte sie nicht auf diese Art.
Er gab sich solche Mühe, sich Elenas als würdig zu erweisen, auch wenn
er das äußerst ungern zugab. Er gab sich sogar Mühe, sich Stefanos als
würdig zu erweisen. Es war tröstlich gewesen, dass sein kleiner Bruder
ihn endlich nicht mehr voller Hass und Abscheu angesehen hatte.
Nun, das gehörte wohl der Vergangenheit an. Der Waffenstillstand, die
Anfänge von Freundschaft, von Brüderlichkeit – was immer es zwischen
ihm und Stefano gewesen war, hatte sich in Luft aufgelöst.
»Komm, Prinzessin«, murmelte er Elena zu und half ihr die Treppe
zum zweiten Stock, in dem ihr Wohnheimzimmer lag, hinauf. »Nur noch
ein kleines Stück weiter.«
Er bereute nicht, dass sie sich geküsst hatten. Sie war so schön, so
lebendig und voller Energie in seinen Armen. Und sie schmeckte köstlich.
Er liebte sie, er liebte sie wirklich, soweit sein hartes Herz dazu fähig
war. Sein Mund verzog sich erneut und er konnte seine eigene Verbitter-
ung schmecken. Elena würde niemals ihm gehören, nicht wahr? Selbst
wenn Stefano ihr den Rücken zukehrte, dieser selbstgerechte Idiot, war er
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doch der Einzige, an den sie dachte. Damon ballte die freie Hand zur
Faust, die nicht schützend auf Elenas Schulter lag.
Endlich hatten sie Elenas Zimmer erreicht und Damon fischte die
Schlüssel aus ihrer Handtasche und schloss die Tür für sie auf.
»Damon«, sagte sie und drehte sich in der Tür um. Zum ersten Mal seit
Stefano sie bei ihrem Kuss erwischt hatte, blickte sie ihm direkt in die Au-
gen. Sie sah immer noch blass aus, aber entschlossen. »Damon, es war ein
Fehler.«
Damon fühlte, wie sein Herz auf der Stelle versteinerte, aber er hielt
ihrem Blick stand. »Ich weiß«, entgegnete er mit fester Stimme. »Am
Ende wird alles gut werden, Prinzessin, du wirst sehen.« Er zwang sich zu
einem tröstenden, unterstützenden Lächeln. Dem Lächeln eines Fre-
undes. Dann war Elena fort, die Tür zu ihrem Zimmer schloss sich ener-
gisch hinter ihr.
Damon machte auf dem Absatz kehrt, fluchte und trat gegen die Wand
hinter sich. Sie bekam einen Riss und er trat noch einmal dagegen und
sah mit bitterer Befriedigung den Putz abbröckeln.
Hinter den anderen Türen regte sich gedämpftes Grummeln und Da-
mon hörte Schritte nahen; jemand kam, um der Ursache für den Lärm auf
den Grund zu gehen. Doch wenn er sich jetzt mit irgendwem ausein-
andersetzen musste, würde er ihn wahrscheinlich töten. Und das wäre
keine gute Idee, ganz gleich, wie sehr er es im Moment auch genießen
würde, aber nicht hier, in Elenas Nähe.
Damon rannte auf ein offenes Fenster zu, sprang und verwandelte sich
mitten in der Luft in eine Krähe. Es war eine Erleichterung, seine Flügel
auszubreiten, den Flugrhythmus aufzunehmen und die Brise an seinen
Federn zu spüren, die ihn antrieb und stützte. Mit einigen starken Flü-
gelschlägen schoss er durchs Fenster und in die Nacht hinaus. Er nutzte
den Aufwind und schwang sich verwegen hoch in die dunklen Lüfte. Er
brauchte jetzt das Rauschen des Windes an seinem Körper, er brauchte
die Ablenkung.
Kapitel Fünfundzwanzig
Liebes Tagebuch,
ich kann nicht fassen, was für eine Närrin ich bin, was für eine treu-
lose, wertlose Närrin.
Ich hätte Damon niemals küssen dürfen oder ihm erlauben, mich zu
küssen.
Stefanos Gesichtsausdruck, als er uns erwischte, war herzzerreißend.
Er war bleich und wie versteinert, fast wie aus Eis gemacht, und in sein-
en Augen glänzten Tränen. Und dann schien es, als würde ein Licht in
ihm erlöschen, und er sah mich an, als hasse er mich. Als sei ich Catar-
ina. Ganz gleich, was bisher zwischen uns passiert ist, Stefano hat mich
noch nie zuvor so angesehen. Ich will es nicht glauben. Stefano könnte
mich niemals hassen. Jeder Schlag
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