Tagebuch eines Vampirs 9 - Jagd im Mondlicht
Chance geben. Lass es einfach für den Moment gut sein, okay?« Sie
griff nach Samanthas Akte, um sie in die Schublade einzuordnen. Ihre
Lippen zitterten, und Meredith war drauf und dran, das Thema weit-
erzuverfolgen: Sie würde es nicht gut sein lassen. Nicht, wenn Elena so
aufgewühlt war und mit Damon, dem gefährlichen Vampir, verbunden
war, jedenfalls noch mehr als vorher. Aber Elena ließ sie nicht zu Wort
kommen. »Huh«, rief sie erschrocken aus. »Was denkst du, was das hier
bedeutet?«
Meredith reckte den Hals, um zu sehen, wovon sie sprach, und Elena
streckte die Hand aus. Auf der Innenseite des Aktendeckels stand ein
großes schwarzes V. Meredith griff nach Christophers Akte. »Hier ist auch
eins«, bemerkte sie und zeigte es Elena.
»Vampire?«, fragte Elena. »Die Vitale Society? Was fängt sonst noch
mit V an und könnte mit diesen Morden in Verbindung stehen?«
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»Ich weiß es nicht«, begann Meredith, als sie plötzlich das sich na-
hende Motorengeräusch eines Autos hörten.
Durch das Fenster kam ein heiseres Krächzen.
»Das ist Damon«, sagte Elena und schnappte Meredith Christophers
Akte aus der Hand, um sie zusammen mit Samanthas schnell in der
Schublade zu verstauen. »Wenn wir nicht wollen, dass er sich mit dem
gesamten Sicherheitsdienst anlegen muss, sollten wir besser schleunigst
verschwinden.«
Kapitel Vierunddreissig
»Mir gefällt deine Wohnung«, sagte Elena zu Damon, während sie sich
umschaute.
Sie war ein wenig überrascht über seine Einladung zum Abendessen.
Etwas so Konventionelles hatte sie Damon gar nicht zugetraut, aber auf
dem Weg zu seiner Wohnung war sie vor Aufregung und Neugier ganz
kribbelig gewesen. In der Dunklen Dimension hatte sie zwar im selben
Palast gelebt wie Damon, aber ein von ihm selbst eingerichtetes Zuhause
hatte sie noch nie gesehen. Trotz seiner extravaganten Art lebte Damon
relativ beschaulich, wie sie jetzt feststellte. Sie hätte eine Einrichtung im
Gothic-Stil erwartet, in Schwarz- und Rottönen, wie in den Vampirvillen,
die sie aus der Dunklen Dimension kannte. Aber dem war nicht so. Sein
Appartement war minimalistisch eingerichtet, schlicht und elegant, mit
sauberen, hellen Wänden, Unmengen von Fenstern, Möbeln aus Glas und
Metall, und alles war in weichen, kühlen Farben gehalten.
Irgendwie passte das zu ihm. Wenn man nicht zu tief in seine dunklen
uralten Augen schaute, hätte man ihn in seiner schwarzen Kleidung für
ein gut aussehendes Model oder einen Architekten halten können, fest
verwurzelt in der modernen Welt.
Wenn auch nicht ganz modern. Elena verweilte im Wohnzimmer, um
die Aussicht über die Stadt zu bewundern: Über den gedämpften Lichtern
von Häusern und Autoscheinwerfern funkelten die Sterne am Himmel.
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Doch noch etwas anderes funkelte ebenso hell. Es lag auf einem Tis-
chchen aus Glas und Chrom unter dem Fenster.
»Was ist das?«, fragte sie und hob es auf. Es sah aus wie eine goldene
Kugel, überzogen von einem filigranen Muster aus Diamanten, und es
hatte genau die richtige Größe, um sich angenehm in ihre Hand zu
schmiegen.
»Ein Schatz«, lächelte Damon. »Sieh mal nach, ob du den Verschluss
an der Seite finden kannst.«
Elena tastete die Kugel vorsichtig ab und entdeckte schließlich einen
raffiniert verborgenen Mechanismus. Sie drückte darauf und die Kugel
entfaltete sich in ihren Händen und enthüllte eine kleine goldene Gestalt.
Ein Kolibri, erkannte Elena und hob ihn hoch, um ihn genauer zu be-
trachten. Das Gold war mit Rubinen, Smaragden und Saphiren verziert.
»Dreh den Schlüssel«, sagte Damon, trat hinter sie und legte seine küh-
len Hände um ihre Taille. Elena fand den kleinen Schlüssel unten am
Bauch des Vogels und drehte ihn um. Der Vogel reckte den Hals, breitete
die Fügel aus und bewegte sich langsam und geschmeidig, während eine
zarte Melodie erklang.
»Das ist wunderschön«, hauchte sie.
»Gemacht für eine Prinzessin«, entgegnete Damon, den Blick auf den
Vogel gerichtet. »Ein hübsches kleines Spielzeug aus Russland, vor der
Revolution. Damals gab es dort noch Kunsthandwerker. Und es war sehr
angenehm dort, wenn man kein Bauer war. Paläste, Feierlichkeiten und
Schlittenfahrten durch den Schnee, natürlich eingehüllt in kostbare
Pelze.«
»Warst du während der Revolution in Russland?«, fragte Elena.
Damon gab ein trockenes, scharfes Lachen von sich. »Ich war vor der
Revolution dort, Liebling.
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