Tagebuch eines Vampirs 9 - Jagd im Mondlicht
›Verschwinde, bevor die Dinge schiefgehen‹,
das war immer mein Motto. Es gab nichts, was mir jemals wichtig genug
gewesen wäre, um es bis zum Ende durchzuziehen. Bevor ich dich
kennenlernte jedenfalls.«
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Als die Musik zu spielen aufhörte, drehte Elena sich um und sah Da-
mon an. Er lächelte, griff nach ihrer Hand und schloss den Vogel wieder
in seine Kugel. »Behalte es«, sagte er. Elena versuchte zu protestieren –
das war gewiss unbezahlbar! –, aber Damon zuckte nur schwach die Ach-
seln. »Ich möchte, dass es dir gehört«, erklärte er. »Außerdem habe ich
jede Menge Schätze. Je mehr Leben man lebt, desto mehr Dinge sammelt
man an.«
Er führte sie ins Esszimmer, wo der Tisch für eine Person gedeckt war.
»Hast du Hunger, Prinzessin?«, fragte er. »Ich habe dir etwas zu essen
bringen lassen.«
Er servierte ihr eine umwerfende Suppe – ein Geschmack, den sie noch
gar nicht kannte, mild und samten auf ihrer Zunge und nur leicht
gewürzt. Der Hauptgang bestand aus einem winzigen gebratenen Vogel,
den Elena sorgfältig mit ihrer Gabel zerteilte. Damon aß nichts, er aß
niemals, aber er nippte an einem Glas Wein und beobachtete Elena.
Während sie ihm von ihren Kursen erzählte, lächelte er und nickte dann
ernsthaft, als sie ihm berichtete, welche Strapazen Meredith auf sich
nahm, um ihre allnächtlichen Wachrunden auf dem Campus zu schieben.
»Das war wunderbar«, sagte sie schließlich und stocherte in dem Stück
Schokoladentorte herum, eine wahre Kalorienbombe, das er zum Nacht-
isch besorgt hatte. »Ich glaube, das war das beste Essen, das ich je hatte.«
Damon lächelte. »Für dich will ich nur das Beste von allem«, sagte er.
»Dir sollte die Welt zu Füßen liegen.«
Etwas regte sich in Elena. Sie legte ihre Gabel beiseite, stand auf und
ging ans Fenster, um wieder die Sterne zu betrachten. »Du bist überall
gewesen, nicht wahr, Damon?«, fragte sie. Sie presste eine Hand gegen
die Glasscheibe.
Damon trat dicht hinter sie, zog sie an sich und streichelte sanft ihr
Haar. »Oh, Elena«, murmelte er. »Ich bin überall gewesen, aber die Welt
ist so beschaffen, dass sie sich ständig verändert, also ist sie immer wieder
neu und aufregend. Es gibt so viele Orte, die ich dir zeigen will, die ich mit
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deinen Augen sehen will. Es gibt so viel dort draußen, so viel Leben zu
leben.«
Er küsste ihren Hals, und seine Eckzähne drückten sanft gegen die
Ader an ihrer Kehle, dann legte er ihr die Hände auf die Hüften und
blickte gemeinsam mit ihr in den von Sternen übersäten Nachthimmel.
»Die meisten Leute sehen niemals auch nur ein Zehntel dessen, was die
menschliche Welt bereithält«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Lebe ein
außergewöhnliches Leben mit mir, Elena.« Sein Atem war warm an ihrer
Kehle. »Sei meine Prinzessin der Dunkelheit.«
Elena lehnte sich zitternd an ihn.
Liebes Tagebuch,
ich weiß nicht mehr, wer ich bin.
Heute Nacht, mit Damon, konnte ich mir beinahe vorstellen, wie mein
Leben aussähe, wenn ich seine »Prinzessin der Dunkelheit« würde. Wir
beide, Hand in Hand, stark und schön und frei. Alles, was ich wollte,
ohne einen Finger zu rühren, Schmuck, Kleider bis hin zu wunderbarem
Essen. Ohne Sorgen, irgendwo weit fort von hier. Voller Wunder, die ich
erleben könnte.
Aber es wäre eine Welt ohne Stefano. Stefano hat mich vollkommen
aus seinem Leben ausgeschlossen. Doch wenn er mich mit Damon sähe –
nicht nur während wir uns küssen, sondern wenn ich so wäre, wie Da-
mon sich es wünscht –, würde ihm das wehtun, das weiß ich. Und ich
kann es nicht ertragen, ihm länger wehzutun.
Ich fühle mich wie an einer Wegkreuzung. Ein Weg führt ins Tages-
licht, und dort steht die ganz normale junge Frau, die ich immer sein
wollte: Partys und Studium und am Ende ein Job und ein Haus und ein
alltägliches Leben. Das, was Stefano mir geben wollte. Der andere Weg
führt in die Dunkelheit, zusammen mit Damon, und ich beginne gerade
erst zu begreifen, wie viel diese Welt zu bieten hat und wie sehr ich mir
wünsche, all das zu erleben.
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Ich dachte immer, Stefano würde mich auf dem taghell erleuchteten
Weg begleiten. Aber jetzt habe ich ihn verloren und dieser Weg erscheint
mir so furchtbar einsam. Vielleicht führt doch der dunkle Weg in meine
Zukunft. Vielleicht ist Damon der Richtige, und ich gehöre zu ihm, in die
Nacht.
»Ich kann es gar nicht erwarten, meine Überraschung zu
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