Tagebuch eines Vampirs - Jagd im Morgengrauen
Weißes.
Als er näher kam, erkannte er Chloes Gesicht, das erstarrt im Lichtstrahl verharrte. Nach der langen Suche brauchte Matt einen Moment, um zu begreifen. Seine erste Reaktion war einfach Erleichterung– Gott sei Dank hatte er Chloe endlich gefunden. Als Zweites wurde ihm bewusst, dass Chloe voller Blut war und dass Tristan reglos in ihren Armen lag.
Chloe blinzelte Matt mit leerem Blick an, dann zeichnete sich Entsetzen auf ihrem Gesicht ab. Sie ließ Tristan los. Der Werwolf stieß einen schwachen, schmerzerfüllten Schrei aus, als er mit einem dumpfen Aufprall auf dem Boden aufschlug, dann gab er keinen Laut mehr von sich.
»O h nein«, murmelte Chloe und ließ sich neben ihm auf die Knie fallen. »O h nein. Das wollte ich nicht.«
Matt lief zu ihr hinüber. »L ebt er noch?«, fragte er.
Chloe hatte sich solche Mühe gegeben, und er hatte sie auf ihrem Weg unterstützt, so gut er konnte. Das Leben war ungerecht. Jetzt beugte sich Chloe über Tristan, klopfte hektisch seinen Körper ab und versuchte, ihn zu wecken.
Matt ließ sich neben Tristan nieder und suchte ihn nach Verletzungen ab. Oh Gott, der arme Junge blutete überall. Er musste für Chloe wie ein Festmahl gerochen haben.
»E s tut mir so leid, Tristan«, flüsterte Chloe. »B itte, wach auf.«
»T ristan, kannst du mich hören?«, fragte Matt und fühlte seinen Puls. Das Herz des Werwolfs schlug langsam und regelmäßig und er atmete normal. Das Rudel war zäh. Aber die Augen des Werwolfs blickten trüb, und er reagierte nicht, als Matt erneut seinen Namen rief und ihn sanft schüttelte.
»I ch fürchte, ähm, ich habe ihn ruhiggestellt«, meinte Chloe erschüttert. »W ie die Kaninchen.«
»W ir müssen Hilfe holen«, sagte Matt barsch, ohne sie anzusehen.
Sie antwortete nicht. Als Matt aufschaute, sah er Panik und Schuldgefühle auf ihrem Gesicht, und Tränen rannen über ihre runden Wangen und verschmierten das Blut um ihren Mund. Sie hatte einmal gescherzt, dass sie eine schlimme Heulsuse sei, und jetzt wischte sie sich mit dem Ärmel ihre laufende Nase ab. Im Halbdunkel wirkten ihre Augen wie schwarze Höhlen des Elends.
»K omm«, sagte Matt etwas sanfter. »D as ist nicht das Ende der Welt. Wir werden von vorn anfangen. Du hättest nicht an einem Kampf teilnehmen dürfen. So viel Blut auf einmal, das war zu hart für dich.« Ohne es zu wollen, stolperte seine Stimme ein wenig über das Wort Blut. Matt schluckte unglücklich und gab sich Mühe, zuversichtlich zu klingen. »J eder wird mal rückfällig, wenn er sich von einer Sucht befreit. Wir werden ins Bootshaus zurückgehen, weg von den anderen. Es wird alles gut werden.« Er klang in seinen eigenen Ohren verzweifelt.
Chloe schüttelte den Kopf. »M att…«, begann sie.
»E s war ein Fehler«, entgegnete Matt entschieden. »A ber Tristan wird wieder auf die Beine kommen. Und du auch.«
Chloe schüttelte erneut den Kopf, heftiger diesmal, und die braunen Löckchen, die Matt immer so süß gefunden hatte, flogen umher. »D as werde ich nicht«, sagte sie kläglich. »N ichts wird je in Ordnung sein. Ich liebe dich, Matt, wirklich.« Ihre Stimme brach und sie schluchzte, dann holte sie tief Luft und begann von Neuem. »I ch liebe dich, aber ich kann so nicht leben. Stefano hatte recht, ich lebe jetzt gar nicht wirklich. Ich bin nicht stark genug. Und es wird nicht besser werden.«
»D u bist stark genug«, protestierte Matt. »I ch werde dir helfen.« Draußen brach die Dämmerung an und er konnte jetzt die Asche und das Blut auf Chloes tränenbefleckter Haut sehen und die dunklen Ringe unter ihren Augen.
»I ch bin so froh, dass ich für eine Weile bei dir bleiben konnte«, sagte sie. »D u hast dich so gut um mich gekümmert.« Sie beugte sich vor, über den bewusstlosen Tristan hinweg, und küsste Matt. Ihre Lippen waren sanft und schmeckten nach Kupfer und Salz. Sie nahm seine Hand und drückte ihm etwas Kleines und Hartes in die Finger.
Als sie ihre Lippen wieder von seinen löste, sagte sie mit dünner Stimme: »I ch hoffe, du wirst eines Tages jemanden finden, der dich verdient, Matt.« Dann stand sie auf.
»G eh nicht…« Matt streckte panisch die Hand nach ihr aus. »I ch brauche dich, Chloe.«
Chloe sah ihn jetzt ganz ruhig an. Sie lächelte sogar ein wenig. »E s ist das Richtige«, sagte sie zu ihm.
Mit wenigen Schritten hatte sie die Scheune durchquert und schlüpfte durch die Lücke zwischen Tür und Scheunenwand. Die Sonne war jetzt fast aufgegangen
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