Tagebuch eines Vampirs - Jagd im Morgengrauen
nicht auf diese Weise töten, rief sie sich verzweifelt ins Gedächtnis. Und doch fühlte es sich so an, als würde alles Leben aus ihr weichen.
Andrés stand vollkommen reglos da, eine Hand gegen den Fels gepresst.
»W as ist los?«, fragte Stefano scharf.
Andrés öffnete die Augen. Sein Gesicht war trostlos. »I ch habe sie verloren«, sagte er. »S ie war schon so nah, aber jetzt… sie berührt die Erde nicht mehr. Ich weiß nicht, wo sie ist.«
»E lena! Elena!«, rief Stefano und rannte an den anderen vorbei. Sie musste irgendwo in der Nähe sein. Dicht hinter sich hörte er die Schritte von Damons Stiefeln.
Ohne Taschenlampen bogen sie in vollkommener Dunkelheit um die nächste Ecke. Stefano ließ Macht in seine Augen strömen, damit er sehen konnte– und erstarrte.
Direkt vor ihnen stand Nicolaus. Blut strömte aus seinem Mund und tropfte an seinem Kinn herunter. In seinen Armen lag Elena vollkommen erschlafft, ihr seidiges goldenes Haar hing verfilzt und schmutzig herab. Im nächsten Moment knurrte Stefano und stürzte vorwärts.
Nicolaus leckte sich langsam und genüsslich mit seiner rosafarbenen Zunge die Lippen, dann schauderte er mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Immer noch lächelnd, sackte er plötzlich in sich zusammen und fiel zu Boden, und Elena landete mit einem dumpfen Aufprall vor ihm. Stefanos Herz setzte aus, während er auf sie zurannte. Elena lag reglos und bleich da, ihr Kopf war auf eine Seite gedreht, ihre Augen waren geschlossen.
Überall war Blut und befleckte ihre einst weiße Jacke und ihre Kehle.
Nicolaus hinter ihr regte sich nicht, schlaff wie ein weggeworfenes Spielzeug. Stefano hatte keinen Zweifel daran, dass er tot war. Da war nichts Lebendiges mehr an ihm; es schien, als sei alles, was ein Teil von ihm gewesen war, fort, und nur eine Wachspuppe zurückgeblieben. Da war keine Spur mehr von dem Blitze schleudernden Ungeheuer, dessen Augen vor Zorn funkelten.
Elena jedoch…
Zu Stefanos Erstaunen regte Elena sich und ihre Wimpern flatterten.
Stefano nahm sie in die Arme. Sie war furchtbar bleich, aber ihr Herz schlug gleichmäßig. Über ihm stand Damon mit angstverzerrtem Gesicht.
»S ie wird überleben«, murmelte Damon, teilweise zu sich selbst, teilweise zu Stefano.
Stefano wollte ihm zustimmen, aber alles, was über seine Lippen kam, war ein gebrochenes Schluchzen. Er begann, Elena zu küssen, ihre Wangen, ihren Mund, ihre Stirn, ihre Hände.
»S tefano«, murmelte sie schwach und lächelte. »M ein Stefano.«
»W as ist passiert?«, fragte Bonnie, als die anderen um die Ecke bogen. Nur Andrés blieb hinter der Biegung im Tunnel stehen und starrte Elena überrascht an.
»S ie ist die Eine«, hauchte er.
»D ie Eine was?«, fragte Elena und lächelte benommen. Sie hob die Hand und streichelte Stefanos Wange.
Andrés schien nur mit Mühe sprechen zu können. Er schluckte, leckte sich die Lippen, schluckte erneut und wirkte ein wenig verloren. »E s gibt eine Legende«, brachte er schließlich zögernd hervor. »E ine Wächterlegende. Sie besagt, dass eines Tages eine eingeschworene Wächterin, eine, die von einer Oberwächterin geboren wurde, auf die Erde kommen wird. Ihr Blut, das über Generationen hinweg weitergegebene Blut von Wächtern, wird für die ältesten Kreaturen der Dunkelheit das Verderben sein.«
»W as bedeutet das?«, fragte Stefano scharf.
Andrés hob seine Taschenlampe und beleuchtete Nicolaus’ jämmerlich geschrumpften Leichnam. »E s bedeutet«, erwiderte er voller Staunen, »d ass Elenas Blut Nicolaus getötet hat. Es würde jeden der Alten töten, jeden der Handvoll Vampire und Dämonen, die seit Anbeginn der menschlichen Zivilisation auf Erden wandeln… vielleicht sogar schon vor dieser Zeit. Es bedeutet«, fuhr er fort, »d ass Elena eine sehr wertvolle Waffe ist.«
»M oment mal«, wandte Damon ein. »D as kann nicht sein. Ich habe Elenas Blut getrunken. Stefano hat Elenas Blut getrunken.«
Andrés zuckte die Achseln. »V ielleicht sind die Eigenschaften dieses Bluts nur für die Uralten tödlich. Das ist zumindest das, was die Legende uns verrät.«
»I hr Blut ist tatsächlich etwas ganz Besonderes«, sagte Stefano mit rauer Stimme und tauschte einen schnellen, verlegenen Blick mit Damon. Elenas Blut war reich und berauschend, um ein Vielfaches machtvoller als jedes andere Blut, das Stefano je gekostet hatte. Allerdings hatte er immer gedacht, es läge an ihrer Liebe.
»A ber…« Bonnie runzelte die Stirn. »D eine
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