Tagebuch eines Vampirs - Jagd im Morgengrauen
sind fast unvorstellbar.
Und so wollen die Himmlischen Wächter, einst meine Schwestern und Brüder, die Mädchen so früh wie möglich in die Hände bekommen, wollen sie nicht als Kinder erziehen, sondern zu scharfäugigen Kriegerinnen ohne eine Spur von Menschlichkeit ausbilden, damit sie als Waffen dienen.
Früher einmal hätte ich es ihnen erlaubt. Ich habe Catarina hergegeben, als sie noch ein Kleinkind war, und so getan, als sei ich gestorben, sodass sie das Schicksal erfüllen konnte, von dem ich glaubte, dass es unausweichlich und richtig für sie wäre.
Elena hörte auf zu lesen. Ihre Mutter hatte noch ein Kind gehabt? Der Name musste aber ein Zufall sein; die Catarina, die sie kannte, Damons und Stefanos Catarina, war Hunderte von Jahren älter als sie. Und ungefähr so weit entfernt von einer Wächterin wie die Hölle vom Himmel.
Es gab jede Menge Wächterinnen, die Elena ziemlich ähnlich sahen. Vor ihrem geistigen Auge ging sie die Gesichter durch, die sie am Himmlischen Hof gesehen hatte: geschäftsmäßige, blauäugige Blondinen, energisch und kühl. Konnte eine von ihnen ihre ältere Schwester gewesen sein? Dennoch wollte sich ihr Unbehagen nicht ganz verflüchtigen: Catarina, ihr Ebenbild. Sie las weiter.
Aber Catarina war ein kränkliches Kind gewesen, und die Wächterinnen hatten sie verschmäht und ihr die große Macht verweigert, die sie hätte haben können. Es wären noch Jahre vergangen, bis sie Zugang zu ihrer Macht gefunden hätte, aber die Wächterinnen hatten ihr nicht zugetraut, diesen Tag zu erleben. Ein Menschenkind, das wahrscheinlich nicht alt wurde, war ihre Zeit nicht wert, hatten sie befunden.
Mein Herz sehnte sich nach ihr. Ich hatte meine Tochter umsonst aufgegeben. Aus vorsichtiger Entfernung beobachtete ich, wie sie aufwuchs. Hübsch und lebhaft trotz ihrer Krankheiten, mutig selbst im Schatten des Schmerzes, den sie erlitt, angehimmelt von ihrem Vater, geliebt von der ganzen Familie. Sie brauchte die Mutter nicht, die sie nie wirklich gekannt hatte. Vielleicht war es besser so, dachte ich. Sie konnte ein glückliches, menschliches Leben leben, und sei es auch nur ein kurzes.
Dann kam die Katastrophe. Eine Dienerin, die dachte, dass sie Catarina damit retten würde, bot sie einem Vampir zur Verwandlung an. Meine süße Tochter, ein Geschöpf des Lichts, wurde ohne Umschweife in die Dunkelheit gezogen. Und die Kreatur, die diese Tat ausführte, war eine der schlimmsten ihrer Art: Nicolaus. Ein Alter. Wenn Catarina in den Besitz ihrer Macht gekommen wäre, wenn die Wächterinnen sie zu einer von ihnen gemacht hätten, hätte Catarinas Blut ihn getötet. Aber ohne diesen Schutz verbündete ihr Blut sie lediglich miteinander – es band Nicolaus mit einer Faszination an sie, die keiner von beiden verstand.
Mein geliebtes Mädchen war verloren, all ihre Anmut und ihre Intelligenz waren untergraben, und in Kürze würde sie nur mehr eine bösartige, zerbrochene Puppe sein, Nicolaus’ Spielzeug. Ich weiß nicht, ob die echte Catarina noch immer in diesem schattenhaften Leben existiert, das sie jetzt leben muss.
Elenas Keuchen dröhnte in der Stille ihres Zimmers. Die Wahrheit lag jetzt schwarz auf weiß vor ihr und fügte sich zu einem kompletten Bild zusammen, mit all den Einzelheiten, die Stefano ihr erzählt hatte: Catarinas Krankheit, Nicolaus’ grausame Erlösung… Diese Catarina, die sie gehasst und zu töten versucht hatte, die Stefano und Damon Jahrhunderte vor Elena geliebt hatte, die Stefano und Damon zerstört hatte, war ihre Halbschwester.
Ein Teil von ihr wollte das Tagebuch zuschlagen, wollte es zurückgeben und nie, nie wieder darüber nachdenken. Aber der andere Teil, der stärkere, konnte nicht aufhören, weiterzulesen.
Ich war viele Jahre auf Wanderschaft, trauerte um meine Tochter und wandte mich von den Wächtern ab, die einst meine Familie gewesen waren. Aber nach Jahrhunderten der Einsamkeit habe ich meinen süßen, ehrlichen, scharfsinnigen Thomas kennengelernt und mich zutiefst und hoffnungslos und wahnsinnig in ihn verliebt. Für eine Weile waren wir so glücklich.
Und dann fanden uns die Wächter.
Einer meiner ehemaligen Brüder kam zu uns und erklärte uns, dass die Alten an Macht gewannen. Sie waren zu stark, zu grausam. Sie würden die Menschheit zerstören, wenn sie konnten, würden die Welt in Dunkelheit und Unheil versinken lassen.
Der Wächter flehte mich an, ein weiteres Kind zur Welt zu bringen. Nur ein Irdischer Wächter mit dem
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