Tagebuch eines Vampirs - Jagd im Morgengrauen
trinken.
Ein hübsches Mädchen, gewiss. Er legte ihr das lange Haar sorgfältig um die Schultern, um die Bisswunden an ihrem Hals zu verbergen, und sie blinzelte ihn mit benommenen, großen Augen an.
Verdammt, diese Augen waren falsch. Sie müssten dunkler sein, ein klares Lapislazuli, umrahmt von schweren Wimpern. Und jetzt, bei näherer Betrachtung, fiel ihm auf, dass ihr Haar offensichtlich gefärbt war.
Das Mädchen lächelte ihn zögernd und unsicher an.
»D u gehst besser zurück in dein Zimmer«, sagte Damon und sandte seine Macht aus. »D u wirst dich nicht daran erinnern, dass du mir begegnet bist. Du wirst nicht wissen, was passiert ist.«
»I ch gehe besser zurück«, echote sie. Auch ihre Stimme war falsch, das falsche Timbre, der falsche Ton, ganz und gar nicht richtig. Ihre Miene hellte sich auf. »M ein Freund wartet auf mich«, fügte sie hinzu.
In diesem Moment zerbrach etwas in Damon. Binnen eines Sekundenbruchteils hatte er das Mädchen wieder grob gepackt und bohrte ihr erneut die Zähne in den Hals. Diesmal jedoch ohne Vorsicht oder Raffinesse. Zornig schluckte er ihr kräftiges, heißes Blut. Ihm war klar, dass er sie bestrafte– und dass es ihm Vergnügen bereitete.
Jetzt, da sie nicht länger unter seinem Bann stand, schrie sie und wehrte sich und schlug mit den Fäusten auf seinen Rücken. Doch Damon hatte sie fest im Griff und bohrte seine Reißzähne nur noch tiefer in ihren Hals, um noch schneller noch mehr Blut zu trinken. Ihre Schläge wurden immer schwächer und sie taumelte in seinen Armen.
Als sie erschlaffte, ließ er sie fallen, und sie landete mit einem schweren Aufprall auf dem Waldboden.
Für einen Moment starrte er in den dunklen Wald um sich herum und lauschte auf das stetige Zirpen der Grillen. Das Mädchen lag reglos zu seinen Füßen. Obwohl er seit vielen Jahrhunderten nicht mehr atmen musste, keuchte er, und ihm war beinah schwindlig.
Er berührte seine eigenen Lippen, und als er die Hand sinken ließ, war sie rot und tropfnass. Es war lange her, seit er das letzte Mal derartig die Kontrolle über sich verloren hatte. Hunderte von Jahren wahrscheinlich. Er starrte auf den ausgelaugten Körper zu seinen Füßen. Das Mädchen sah jetzt so klein aus, ihr Gesicht unschuldig und leer, die Wimpern lagen dunkel auf ihren bleichen Wangen.
Damon war sich nicht sicher, ob sie lebte oder tot war. Und er wollte es auch nicht herausfinden.
Er wich einige Schritte von dem Mädchen zurück und fühlte sich seltsam unsicher, bevor er sich umdrehte und davonrannte, schnell und lautlos durch die Dunkelheit des Waldes, wo er nur auf das Hämmern seines eigenen Herzens lauschte.
Damon hatte immer schon getan, was er wollte. Er würde sich bestimmt nicht mit Schuldgefühlen wegen etwas herumschlagen, das für einen Vampir natürlich war. Das war Stefanos Sache. Aber während er rannte, nagte ein seltsames Gefühl in seiner Magengrube, etwas völliges Untypisches, das mehr zu sein schien als nur ein paar kleine Gewissensbisse.
»A ber ihr habt doch gesagt, Ethan sei tot«, murmelte Bonnie. Sie spürte, dass Meredith neben ihr zusammenzuckte, und biss sich auf die Zunge. Natürlich würde es Meredith empfindlich treffen, sollte Ethan möglicherweise überlebt haben; sie hatte ihn getötet, oder jedenfalls hatte sie gedacht, dass sie ihn getötet hatte. Meredith’ Miene war jetzt hart und undurchschaubar.
»I ch hätte ihm den Kopf abschlagen sollen, um sicherzugehen«, sagte Meredith, während sie ihre Taschenlampe von einer Seite zur anderen bewegte, um die steinernen Mauern des Tunnels zu beleuchten. Bonnie nickte und begriff, dass Meredith zornig war .
Meredith hatte sie telefonisch über Ethans Verschwinden alarmiert. Bonnie war gerade beim Abendessen gewesen, zusammen mit Zander. Ein süßes, unbeschwertes Treffen: Hamburger und Cola und Zander, der unter dem Tisch sanft ihr Bein mit seinen Füßen umklammerte, während er heimlich ihre Pommes stahl.
Und jetzt waren sie und Zander hier und suchten gemeinsam mit Meredith und Matt in den geheimen, unterirdischen Tunneln des Campus nach Vampiren. Ebenso wie Elena und Stefano im Wald um den Campus herum. Nicht gerade die romantischste Art zu feiern, dass wir wieder ein Paar sind, dachte Bonnie mit einem resignierten Achselzucken. Aber es heißt ja schließlich immer, dass Paare gemeinsamen Hobbys nachgehen sollten.
Matt, der neben Meredith ging, wirkte wild entschlossen, das Kinn gereckt, den Blick starr geradeaus in den
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