Tagebuch (German Edition)
spielte mit Moffi auf dem Packtisch und wollte Moffi gerade auf die Waage setzen, um sein Gewicht zu kontrollieren.
»Hallo, willst du mal sehen?« Er machte keine langen Vorbereitungen, hob das Tier hoch, drehte es auf den Rücken, hielt sehr geschickt Kopf und Pfoten fest, und der Unterricht begann. »Das ist das männliche Geschlechtsteil, das sind ein paar lose Härchen, und das ist der Hintern.«
Die Katze machte nochmals eine halbe Umdrehung und stand wieder auf ihren weißen Socken.
Jeden anderen Jungen, der mir so »das männliche Geschlechtsteil« gezeigt hätte, hätte ich nicht mehr angeschaut. Aber Peter sprach ganz seelenruhig über das sonst so peinliche Thema und hatte überhaupt keine Hintergedanken, sodass ich mich schließlich beruhigte und auch normal wurde. Wir spielten mit Moffi, amüsierten uns gut, tratschten miteinander und schlenderten schließlich durch das Lager zur Tür.
»Bist du dabei gewesen, als Mouschi kastriert wurde?«, fragte ich.
»Ja, sicher, das geht sehr schnell. Das Tier wird natürlich betäubt.«
»Holen sie da was raus?«
»Nein, der Doktor knipst einfach den Samenleiter durch. Man kann von außen nichts sehen.«
Ich sammelte Mut, denn so einfach ging es bei mir doch nicht. »Peter, Geschlechtsteile haben doch bei Männchen und Weibchen verschiedene Namen.«
»Das weiß ich.«
»Bei Weibchen heißt es Vagina, soviel ich weiß, bei Männchen weiß ich es nicht mehr.«
»Ja.«
»Ach ja«, sagte ich wieder. »Wie soll man diese Worte auch wissen, meist trifft man sie durch Zufall.«
»Warum? Ich frage sie oben. Meine Eltern wissen das besser als ich und haben auch mehr Erfahrung.«
Wir standen schon auf der Treppe, und ich hielt den Mund.
Ja, wirklich, so einfach hätte ich nie mit einem Mädchen darüber gesprochen. Ich bin auch sicher, dass Mutter nicht dieses gemeint hat, als sie mich vor den Jungen warnte.
Trotzdem war ich den ganzen Tag ein bisschen durcheinander, wenn ich an unser Gespräch zurückdachte, es kam mir doch seltsam vor. Aber in einem Punkt bin ich wenigstens klüger geworden: Es gibt auch junge Menschen, sogar vom anderen Geschlecht, die ungezwungen und ohne Witze darüber sprechen können.
Ob Peter wirklich seine Eltern fragt? Ist er wirklich so, wie er sich gestern gezeigt hat?
Ach, was weiß ich davon?!!!
Deine Anne
Freitag, 28. Januar 1944
Liebe Kitty!
In der letzten Zeit habe ich eine starke Vorliebe für Stammbäume und genealogische Tabellen von königlichen Häusern. Wenn man einmal mit Suchen anfängt, muss man immer weiter in der Vergangenheit graben und kommt zu immer interessanteren Entdeckungen. Obwohl ich außerordentlich eifrig bin, was meine Lehrfächer angeht, schon ziemlich gut dem Home-Service vom englischen Sender folgen kann, widme ich doch viele Sonntage dem Aussuchen und Sortieren meiner großen Filmstarsammlung, die einen respektablen Umfang angenommen hat. Herr Kugler macht mir jeden Montag eine Freude, wenn er mir die »Cinema & Theater« mitbringt. Obwohl das von den unmondänen Hausgenossen oft als Geldverschwendung bezeichnet wird, sind sie dann jedes Mal wieder erstaunt über die Genauigkeit, mit der ich nach einem Jahr noch präzise die Mitwirkenden eines bestimmten Films angeben kann. Bep, die oft ihre freien Tage mit ihrem Freund im Kino verbringt, teilt mir den Titel des geplanten Films samstags mit, und ich rassle ihr sowohl die Hauptdarsteller als auch die Kritik herunter. Es ist noch nicht lange her, da sagte Mans, dass ich später nicht ins Kino zu gehen bräuchte, weil ich Inhalt, Besetzung und Kritiken bereits im Kopf hätte.
Wenn ich mal mit einer neuen Frisur angesegelt komme, schauen mich alle mit missbilligenden Gesichtern an, und bestimmt fragt einer, welche Filmschauspielerin denn diese Frisur auf ihrem Kopf prangen hat. Wenn ich antworte, dass sie eine eigene Erfindung ist, glauben sie mir immer nur halb. Was die Frisur betrifft, die hält nicht länger als eine halbe Stunde, dann bin ich die abweisenden Urteile so leid, dass ich ins Badezimmer renne und schnell meine normale Lockenfrisur wieder herstelle.
Deine Anne
Freitag, 28. Januar 1944
Liebe Kitty!
Heute Morgen habe ich mich gefragt, ob du dir nicht vorkommst wie eine Kuh, die alle alten Neuigkeiten immer wiederkäuen muss und, von der einseitigen Ernährung gelangweilt, schließlich laut gähnt und sich im Stillen wünscht, dass Anne mal was Neues auftreibt.
Leider, ich weiß, das Alte ist langweilig für dich, aber stell
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