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Tagebuch (German Edition)

Tagebuch (German Edition)

Titel: Tagebuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Frank
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ein Band durchgezogen, das über der Brust schließt, und ein Band aus rosa gerippter Seide vollendet das Ganze. Allerdings habe ich vergeblich versucht, aus meinen Turnschuhen Ballettschuhe zu machen.
    Meine steifen Gliedmaßen sind auf dem besten Weg, wieder so geschmeidig zu werden wie früher. Eine tolle Übung finde ich: auf dem Boden sitzen, mit jeder Hand eine Ferse halten und dann die Beine in die Höhe heben. Ich muss jedoch ein Kissen als Unterlage verwenden, sonst wird mein armes Steißbein zu sehr misshandelt.
    Hier lesen sie ein Buch mit dem Titel »Wolkenloser Morgen«. Mutter fand es außerordentlich gut, weil viele Probleme Jugendlicher darin beschrieben werden. Ein bisschen ironisch dachte ich mir: »Kümmere du dich erst mal um deine eigenen Jugendlichen.«
    Ich glaube, Mutter denkt, dass Margot und ich das beste Verhältnis zu unseren Eltern haben, das es nur gibt, und dass niemand sich mehr mit dem Leben seiner Kinder beschäftigt als sie. Dabei hat sie bestimmt nur Margot im Auge, denn ich glaube, dass die solche Probleme und Gedanken wie ich nie hat. Ich will Mutter gar nicht auf die Idee bringen, dass es in einem ihrer Sprösslinge ganz anders aussieht, als sie sich das vorstellt. Sie wäre völlig verblüfft und wüsste doch nicht, wie sie die Sache anders anpacken sollte. Den Kummer, der für sie daraus folgen würde, will ich ihr ersparen, vor allem, weil ich weiß, dass es für mich doch dasselbe bleiben würde. Mutter fühlt wohl, dass Margot sie viel lieber hat als ich, aber sie denkt, dass das nur vorübergehend ist.
    Margot ist so lieb geworden, sie scheint mir ganz anders zu sein als früher. Sie ist längst nicht mehr so schnippisch und wird nun eine wirkliche Freundin. Sie sieht nicht mehr den kleinen Knirps in mir, mit dem man nicht zu rechnen braucht.
    Es ist ein seltsames Phänomen, dass ich mich manchmal wie mit den Augen eines anderen sehe. Ich betrachte mir die Angelegenheit einer gewissen Anne Frank und blättere seelenruhig in meinem eigenen Lebensbuch, als wäre es das einer Fremden.
    Früher, zu Hause, als ich noch nicht so viel nachdachte, hatte ich zuweilen das Gefühl, dass ich nicht zu Mansa, Pim und Margot gehörte und immer eine Außenseiterin bleiben würde. Manchmal spielte ich dann vielleicht ein halbes Jahr lang die Rolle eines Waisenkindes, bis ich mir selbst vorwarf, dass ich nur durch meine eigene Schuld die Leidende spielte, wo ich es doch immer so gut hatte. Dann folgte eine Periode, in der ich mich zwang, freundlich zu sein. Jeden Morgen, wenn jemand die Treppe herabkam, hoffte ich, dass es Mutter sein würde, die käme, um mir guten Morgen zu sagen. Ich begrüßte sie sehr lieb, weil ich mich wirklich darüber freute, dass sie mich so lieb anschaute. Dann schnauzte sie mich wegen irgendeiner Bemerkung an, und ich ging ganz entmutigt zur Schule. Auf dem Heimweg entschuldigte ich sie dann, dachte, dass sie Sorgen hatte, kam fröhlich nach Hause und redete drauflos, bis sich das Gleiche wie morgens wiederholte und ich mit einem nachdenklichen Gesicht wieder ging. Manchmal nahm ich mir auch vor, böse zu bleiben. Aber aus der Schule heimgekommen, hatte ich so viele Neuigkeiten, dass ich mein Vorhaben schon längst vergessen hatte und Mutter unter allen Umständen ein offenes Ohr für meine Erlebnisse haben musste. Bis wieder die Zeit kam, wo ich morgens nicht mehr auf die Schritte von der Treppe horchte, mich einsam fühlte und abends mein Kissen mit Tränen übergoss.
     

    Hier ist alles viel schlimmer geworden, du weißt es ja. Aber jetzt hat Gott mir eine Hilfe geschickt: Peter. Ich fasse schnell an meinen Anhänger, drücke einen Kuss darauf und denke: »Was kann mir der ganze Kram ausmachen! Petel gehört zu mir, und niemand weiß davon!« Auf diese Art kann ich jedes Anschnauzen überwinden.
    Wer hier wohl ahnt, was alles in einer Backfischseele vorgeht?

Samstag, 15. Januar 1944
    Liebste Kitty!
    Es hat keinen Zweck, dass ich dir immer wieder bis in die kleinsten Einzelheiten unsere Streitereien und Auseinandersetzungen beschreibe. Es genügt, wenn ich dir erzähle, dass wir jetzt viele Dinge wie Fett und Fleisch getrennt haben und unsere eigenen Bratkartoffeln machen. Seit einiger Zeit essen wir etwas Roggenbrot extra, weil wir um vier Uhr schon sehnsüchtig auf das Essen warten und unsere knurrenden Mägen es fast nicht aushalten.
    Mutters Geburtstag nähert sich. Sie hat von Kugler zusätzlich Zucker bekommen, ein Anlass für Eifersucht, weil zu Frau

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