Tagebuch (German Edition)
hinunter, kontrollierte die Vordertür und das Sicherheitsschloss, alles war zu. »Dann werden Bep und Peter heute sehr schlampig gewesen sein«, nahm er an. Er blieb eine Weile in Kuglers Zimmer sitzen, drehte dann die Lampe aus, ging nach oben und machte sich weder über die offenen Türen noch über das unordentliche Büro viele Gedanken.
Heute Morgen klopfte Peter schon früh an unsere Zimmertür und kam mit der wenig hübschen Neuigkeit, dass die Vordertür weit offen stand und das Projektionsgerät und Kuglers neue Aktentasche aus dem Wandschrank verschwunden waren. Peter bekam den Auftrag, die Tür zu schließen, van Daan erzählte seine Beobachtungen vom vergangenen Abend, und wir waren ziemlich unruhig.
Die ganze Sache ist nicht anders zu erklären, als dass der Dieb einen Nachschlüssel von der Tür hat, denn die war nicht aufgebrochen worden. Er muss schon sehr früh am Abend hereingeschlüpft sein, schloss die Tür hinter sich, wurde von van Daan gestört, versteckte sich, bis dieser weggegangen war, flüchtete dann mit seiner Beute und ließ in der Eile die Tür offen stehen.
Wer kann unseren Schlüssel haben? Warum ist der Dieb nicht ins Lager gegangen? War vielleicht einer unserer eigenen Lagerarbeiter der Täter? Würde er uns nun nicht verraten, da er van Daan gehört und vielleicht sogar gesehen hatte?
Es ist sehr unheimlich, weil wir nicht wissen, ob es dem betreffenden Einbrecher nicht noch mal einfällt, unsere Tür zu öffnen. Oder war er selbst erschrocken über den Mann, der da herumlief?
Deine Anne
P.S. Wenn du vielleicht einen guten Detektiv für uns auftreiben könntest, wäre uns das sehr angenehm. Erste Forderung ist natürlich Zuverlässigkeit in Sachen Verstecken.
Donnerstag, 2. März 1944
Liebe Kitty!
Margot und ich waren heute zusammen auf dem Dachboden. Aber mit ihr kann ich es nicht so genießen, wie ich es mir mit Peter vorstelle (oder mit einem anderen), obwohl ich weiß, dass sie die meisten Dinge genauso empfindet wie ich!
Beim Abwaschen fing Bep an, mit Mutter und Frau van Daan über ihre Niedergeschlagenheit zu sprechen. Was helfen ihr die beiden? Vor allem unsere taktlose Mutter verhilft einem Menschen nur noch tiefer in die Pfütze. Weißt du, was sie Bep für einen Rat gab? Sie sollte mal an all die Menschen denken, die in dieser Welt zugrunde gehen! Wem hilft der Gedanke an Elend, wenn er sich selbst schon elend fühlt? Das sagte ich auch. Die Antwort war natürlich, dass ich bei solchen Dingen nicht mitreden kann!
Was sind die Erwachsenen doch idiotisch und blöd! Als ob Peter, Margot, Bep und ich nicht alle dasselbe fühlten! Und dagegen hilft nur Mutterliebe oder die Liebe von sehr, sehr guten Freunden. Aber die beiden Mütter hier verstehen nicht das geringste bisschen von uns! Frau van Daan vielleicht noch mehr als Mutter. Oh, ich hätte der armen Bep gern was gesagt, etwas, von dem ich aus Erfahrung weiß, dass es hilft. Aber Vater kam dazwischen und schob mich sehr grob beiseite. Wie blöd sind sie doch alle!
Ich habe auch noch mit Margot über Vater und, Mutter gesprochen. Wie nett könnten wir es hier haben, wenn die nicht so schrecklich langweilig wären. Wir könnten Abende organisieren, an denen jeder der Reihe nach über ein Thema spricht. Aber da sind wir schon beim springenden Punkt. Ich kann hier nicht sprechen. Herr van Daan greift immer an, Mutter wird scharf und kann über gar nichts normal reden, Vater hat keine Lust zu so etwas, ebenso wenig wie Herr Dussel, und Frau van Daan wird immer angegriffen, sodass sie mit rotem Kopf dasitzt und sich kaum mehr wehren kann. Und wir? Wir dürfen kein Urteil haben! Ja, sie sind so schrecklich modern! Kein Urteil haben! Man kann jemandem sagen, er soll den Mund halten. Aber kein Urteil haben, das gibt es nicht. Niemand kann einem anderen sein Urteil verbieten, auch wenn der andere noch so jung ist! Bep, Margot, Peter und mir hilft nur eine große, hingebungsvolle Liebe, die wir hier nicht bekommen. Und niemand hier kann uns verstehen, vor allem diese idiotischen Besserwisser nicht. Denn wir sind empfindsamer und viel weiter in unseren Gedanken, als einer von ihnen es wohl auch nur im Entferntesten vermuten würde.
Liebe, was ist Liebe? Ich glaube, dass Liebe etwas ist, was sich eigentlich nicht in Worte fassen lässt. Liebe ist, jemanden zu verstehen, ihn gern zu haben. Glück und Unglück mit ihm zu teilen. Und dazu gehört auf die Dauer auch die körperliche Liebe. Du hast etwas geteilt, etwas
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