Tagebuch (German Edition)
bot dann an, mich aufzuklären, und ich machte davon dankbar Gebrauch. Er hat mir erklärt, wie Verhütungsmittel funktionieren, und ich fragte ihn tollkühn, woran Jungen merken, dass sie erwachsen sind. Darüber musste er erst mal nachdenken, er wollte es mir abends sagen. Unter anderem erzählte ich ihm die Geschichte von Jacque und mir und dass Mädchen starken Jungen gegenüber wehrlos sind. »Vor mir brauchst du keine Angst zu haben«, sagte er.
Abends, als ich wieder zu ihm kam, erzählte er mir dann von den Jungen. Ein bisschen genierlich war es schon, aber doch auch toll, mit ihm darüber zu sprechen. Er und ich konnten uns beide nicht vorstellen, dass wir noch mal mit einem Mädchen beziehungsweise mit einem Jungen so offen über die intimsten Angelegenheiten reden würden. Ich glaube, ich weiß jetzt alles. Er hat mir viel von Präsentivmitteln [12] erzählt.
Abends im Badezimmer haben Margot und ich lange über zwei frühere Bekannte geredet.
Heute Morgen erwartete mich etwas sehr Unangenehmes. Nach dem Frühstück winkte mir Peter, mit ihm nach oben zu gehen. »Du hast mich ganz schön reingelegt«, sagte er. »Ich habe gehört, was Margot und du gestern im Badezimmer besprochen habt. Ich glaube, du wolltest mal sehen, was Peter davon weiß, und dir dann einen Spaß damit machen!«
Mir verschlug es die Sprache. Ich habe es ihm ausgeredet, so gut ich konnte. Ich kann so gut verstehen, wie ihm zumute gewesen sein muss, und dabei war es nicht mal wahr!
»O nein, Peter«, sagte ich, »so gemein würde ich nie sein. Ich habe versprochen, den Mund zu halten, und das tue ich auch. Dir etwas vorzumachen und dann so gemein zu handeln, nein, Peter, das wäre nicht mehr witzig, das wäre unfair. Ich habe nichts erzählt, ehrlich, glaubst du mir?«
Er sagte mir, dass er mir glaubte, aber ich muss noch mal mit ihm darüber sprechen. Den ganzen Tag grüble ich schon darüber nach. Ein Glück, dass er gleich gesagt hat, was er dachte. Stell dir vor, er wäre mit einem so gemeinen Verdacht rumgelaufen. Der liebe Peter!
Nun werde und muss ich ihm alles erzählen!
Deine Anne
Freitagmorgen, 24. März 1944
Beste Kitty!
Ich gehe zur Zeit oft abends hinauf, um bei Peter im Zimmer etwas frische Atemluft zu schnappen. In einem dunklen Zimmer kommt man viel schneller zu richtigen Gesprächen, als wenn einen die Sonne im Gesicht kitzelt. Ich finde es gemütlich, neben ihm auf einem Stuhl zu sitzen und hinauszuschauen. Van Daan und Dussel stellen sich sehr blöd an, wenn ich in Peters Zimmer verschwinde. »Annes zweite Heimat«, heißt es dann. Oder: »Schickt es sich für Herren, abends im Dunkeln noch junge Mädchen zu Besuch zu haben?«
Peter ist erstaunlich gelassen bei solchen angeblich witzigen Bemerkungen. Meine Mutter ist übrigens auch nicht wenig neugierig und würde mich sicher nach den Themen unserer Gespräche fragen, wenn sie nicht insgeheim Angst vor einer abweisenden Antwort hätte. Peter sagt, dass die Erwachsenen neidisch seien, weil wir jung sind und uns aus ihren Gehässigkeiten nicht viel machen.
Manchmal holt Peter mich unten ab. Aber das ist auch peinlich, denn er bekommt trotz allem ein feuerrotes Gesicht und kriegt fast kein Wort raus. Ich bin nur froh, dass ich nie rot werde, das muss wirklich sehr unangenehm sein.
Außerdem ist es mir nicht recht, dass Margot alleine unten sitzt, während ich oben gute Gesellschaft habe. Aber was soll ich machen? Ich fände es prima, wenn sie mit hinaufginge, aber dann ist sie wieder das fünfte Rad am Wagen.
Ich muss mir von allen ganz schön was über die plötzliche Freundschaft anhören und weiß wirklich nicht, wie viele Tischgespräche nicht schon vom Heiraten im Hinterhaus handelten, falls der Krieg noch fünf Jahre dauern würde. Was gehen uns eigentlich diese Elternsprüche an? Nicht viel jedenfalls, sie sind alle so blöd. Haben meine Eltern vergessen, dass sie mal jung waren? Es scheint so. Wenigstens nehmen sie uns immer ernst, wenn wir einen Witz machen, und lachen über uns, wenn wir es ernst meinen.
Wie das nun weitergeht, weiß ich wirklich nicht, ebenso wenig, ob wir immer was zu reden haben. Aber wenn es weitergeht zwischen uns, werden wir wohl auch zusammen sein, ohne dass wir reden. Wenn sich die Alten da oben nur nicht so blöd anstellen würden. Bestimmt sehen sie mich nicht so gern. Dabei sagen Peter und ich doch niemandem, worüber wir sprechen. Stell dir vor, sie wüssten, dass wir über so intime Themen sprechen.
Ich würde
Weitere Kostenlose Bücher