Tagebuch (German Edition)
wir uns einmal so lieb haben, dass wir gerne heiraten würden.
Ich bin inzwischen sicher, dass Peter mich auch gern hat. Auf welche Art er mich mag, weiß ich nicht. Ob er nur eine gute Kameradin wünscht oder ob ich ihn als Mädchen anziehe oder aber als Schwester, dahinter bin ich noch nicht gekommen. Als er sagte, dass ich ihm bei den Streitereien zwischen seinen Eltern immer helfe, war ich enorm froh und schon einen Schritt weiter auf dem Weg, an seine Freundschaft zu glauben. Gestern fragte ich ihn, was er tun würde, wenn es hier ein Dutzend Annes gäbe und alle immer zu ihm kommen würden. Seine Antwort war: »Wenn sie alle so wären wie du, wäre das wirklich nicht so schlimm!«
Er ist sehr gastfreundlich zu mir, und ich glaube schon, dass er mich wirklich gern kommen sieht. Französisch lernt er inzwischen sehr eifrig, sogar abends im Bett bis Viertel nach zehn.
Ach, wenn ich an Samstagabend denke, an unsere Worte, unsere Stimmen, dann bin ich zum ersten Mal mit mir selbst zufrieden. Dann meine ich, dass ich nun dasselbe sagen würde und nicht alles ganz anders, was sonst meistens der Fall ist. Er ist so hübsch, sowohl wenn er lacht, als auch wenn er still vor sich hin schaut. Er ist lieb und gut und hübsch. Meiner Meinung nach war er am meisten überrumpelt, als er merkte, dass ich überhaupt nicht das oberflächlichste Mädchen der Welt bin, sondern genauso verträumt wie er, mit ebenso vielen Schwierigkeiten, wie er sie selbst hat.
Gestern Abend nach dem Spülen wartete ich darauf, dass er mich bitten würde, oben zu bleiben. Aber nichts passierte. Ich ging weg, und er kam herunter, um Dussel zum Radio zu rufen. Er trödelte im Badezimmer herum, aber als Dussel zu lange brauchte, ging er nach oben. Er lief in seinem Zimmer auf und ab und ging sehr früh ins Bett.
Ich war so unruhig den ganzen Abend, dass ich immer wieder ins Badezimmer ging, mir das Gesicht kalt abwusch, las, wieder träumte, auf die Uhr schaute und wartete, wartete, wartete und horchte, ob er käme. Ich lag früh im Bett und war todmüde.
Heute Abend ist Baden dran, und morgen?
Das ist noch so lange!
Deine Anne M. Frank
Meine Antwort:
»Liebe Margot!
Am besten würde ich finden, dass wir nun einfach abwarten, was daraus wird. Es kann nicht mehr sehr lange dauern, dass die Entscheidung zwischen Peter und mir fällt, entweder wieder normal oder anders. Wie das gehen soll, weiß ich nicht, aber ich denke, was das betrifft, nicht weiter, als meine Nase lang ist.
Aber eines tue ich bestimmt. Wenn Peter und ich Freundschaft schließen, dann erzähle ich ihm, dass du ihn auch sehr gern hast und für ihn da bist, falls es nötig ist. Letzteres wirst du sicher nicht wollen, aber das macht mir jetzt nichts aus. Was Peter über dich denkt, weiß ich nicht, aber ich werde ihn dann schon fragen. Bestimmt nichts Schlechtes, im Gegenteil! Komm ruhig auf den Dachboden oder wo auch immer wir sind, du störst uns wirklich nicht, da wir, glaube ich, stillschweigend abgemacht haben, dass, wenn wir sprechen wollen, wir das abends im Dunkeln tun.
Halte dich tapfer! Ich tue es auch, obwohl es nicht immer einfach ist. Deine Zeit kommt vielleicht schneller, als du denkst.«
Deine Anne
Donnerstag, 23. März 1944
Liebe Kitty!
Hier läuft alles wieder ein bisschen. Unsere Markenmänner sind zum Glück aus dem Gefängnis entlassen worden.
Miep ist seit gestern wieder hier, heute hat sich ihr Ehemann in die Falle gelegt. Frösteln und Fieber, die bekannten Grippesymptome. Bep ist gesund, obwohl ihr Husten anhält. Nur Kleiman wird noch lange zu Hause bleiben müssen.
Gestern ist hier ein Flugzeug abgestürzt. Die Insassen sind noch rechtzeitig mit dem Fallschirm abgesprungen. Die Maschine stürzte auf eine Schule, in der keine Kinder waren. Es gab einen kleinen Brand und ein paar Tote. Die Deutschen haben auf die sinkenden Flieger geschossen. Die zuschauenden Amsterdamer schäumten vor Wut über eine so feige Tat. Wir, das heißt die Damen, erschraken auch zu Tode. Brrr, ich finde Schießen äußerst übel!
Jetzt über mich selbst.
Als ich gestern bei Peter war, kamen wir, ich weiß wirklich nicht mehr wie, auf das Thema Sexualität. Ich hatte mir längst vorgenommen, ihn einiges zu fragen. Er weiß alles. Als ich ihm sagte, dass Margot und ich überhaupt nicht richtig aufgeklärt wurden, war er ganz erstaunt. Ich erzählte ihm viel von Margot und mir und Mutter und Vater, und dass ich mich in der letzten Zeit nicht mehr traue zu fragen. Er
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