Tagebuch (German Edition)
habe. Ich darf mich in meiner Gleichgültigkeit und Verachtung ihr gegenüber nicht so gehen lassen. Also wieder mal versuchen, trotz allem freundlich zu sein und meine Bemerkungen zu unterlassen.
Auch Pim ist nicht mehr so herzlich. Er versucht sich das Kindische ein bisschen abzugewöhnen und ist nun viel zu kühl. Mal sehen, was daraus wird. Er hat mir gedroht, dass ich später bestimmt keine Nachhilfestunden bekomme, wenn ich kein Algebra mache. Obwohl ich das abwarten könnte, will ich doch wieder damit anfangen, vorausgesetzt, ich bekomme ein neues Buch.
Vorläufig kann ich nichts anderes tun, als Peter anzuschauen, und ich bin randvoll!
Deine Anne M. Frank
Ein Beweis von Margots Güte. Dies erhielt ich heute, am 20. März 1944:
»Anne, als ich gestern sagte, dass ich nicht eifersüchtig auf dich wäre, war das nur zu 50 % ehrlich. Es ist nämlich so, dass ich weder auf dich noch auf Peter eifersüchtig bin. Ich finde es nur für mich selbst ein bisschen schade, dass ich noch niemanden gefunden habe und vorläufig sicher nicht finden werde, mit dem ich über meine Gedanken und Gefühle sprechen könnte. Aber deshalb gönne ich es euch beiden doch von Herzen, wenn ihr euch etwas Vertrauen schenken könntet. Du vermisst hier schon genug von dem, was für viele andere so selbstverständlich ist. Andererseits weiß ich genau, dass ich mit Peter doch nie so weit gekommen wäre, weil ich das Gefühl habe, dass ich mit demjenigen, mit dem ich viel besprechen möchte, auf ziemlich intimem Fuß stehen müsste. Ich würde das Gefühl brauchen, dass er mich, auch ohne dass ich viel sage, durch und durch versteht. Deshalb müsste es jemand sein, bei dem ich das Gefühl habe, dass er mir geistig überlegen ist, und das ist bei Peter nicht der Fall. Bei dir und Peter könnte ich es mir aber gut vorstellen.
Du brauchst dir also überhaupt keine Vorwürfe zu machen, dass ich zu kurz komme und du etwas tust, was mir zukäme. Nichts ist weniger wahr. Du und Peter werdet nur gewinnen können durch den Umgang miteinander.«
Meine Antwort:
Liebe Margot!
Deinen Brief fand ich außerordentlich lieb, aber ich bin doch nicht völlig beruhigt und werde es wohl auch nicht werden.
Von Vertrauen ist in dem Maße, das du meinst, zwischen Peter und mir vorläufig noch keine Rede, aber an einem offenen und dunklen Fenster sagt man einander mehr als im hellen Sonnenschein. Auch kann man seine Gefühle leichter flüsternd sagen, als wenn man sie ausposaunen muss. Ich glaube, dass du für Peter eine Art schwesterlicher Zuneigung fühlst und ihm gern helfen willst, mindestens so gern wie ich. Vielleicht wirst du das auch noch mal tun können, obwohl das kein Vertrauen in unserem Sinn ist. Ich finde, dass Vertrauen von zwei Seiten kommen muss. Ich glaube, das ist auch der Grund, dass es zwischen Vater und mir nie so weit gekommen ist. Hören wir jetzt damit auf und reden auch nicht mehr darüber. Wenn du noch etwas willst, mache es bitte schriftlich, denn so kann ich viel besser ausdrücken, was ich meine, als mündlich. Du weißt nicht, wie sehr ich dich bewundere, und ich hoffe nur, dass ich noch mal etwas von Vaters und deiner Güte bekomme, denn darin sehe ich zwischen euch nicht mehr viel Unterschied.
Deine Anne
Mittwoch, 22. März 1944
Liebe Kitty!
Dies bekam ich gestern Abend von Margot:
»Beste Anne!
Nach deinem Brief von gestern habe ich das unangenehme Gefühl, dass du Gewissensbisse hast, wenn du zu Peter gehst, um zu arbeiten oder zu reden. Dazu gibt es jedoch wirklich keinen Grund. In meinem Inneren hat jemand Recht auf gegenseitiges Vertrauen, und ich würde Peter noch nicht auf dieser Stelle dulden können. Es ist jedoch so, wie du geschrieben hast, dass ich das Gefühl habe, Peter ist eine Art Bruder, aber … ein jüngerer Bruder. Unsere Gefühle strecken Fühler aus, um uns vielleicht später, vielleicht auch nie, in geschwisterlicher Zuneigung zu berühren. So weit ist es jedoch noch lange nicht. Du brauchst also wirklich kein Mitleid mit mir zu haben. Genieße so oft wie möglich die Gesellschaft, die du nun gefunden hast.«
Es wird hier immer schöner. Ich glaube, Kitty, dass wir hier im Hinterhaus vielleicht noch eine echte große Liebe erleben. All das Gewitzel über eine Heirat mit Peter, wenn wir noch lange hier bleiben, war also doch nicht so verrückt. Ich denke wirklich nicht darüber nach, ihn zu heiraten. Ich weiß nicht, wie er mal sein wird, wenn er erwachsen ist. Ich weiß auch nicht, ob
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