Tagebücher 01 - Literat und Europäer
im kalifornischen San Diego gelebt hat und dort auch gestorben ist, ohne noch einmal in seine ungarische Heimat zurückzukehren.
In Toronto bestand die bereits erwähnte Vörösváry Publishing Company: Druckerei, Verlag und Redaktion des Wochenblatts der Ungarn in Kanada. Hier wurden auch die Bücher ungarischer Klassiker und emigrierter ungarischer Autoren in der Originalsprache gedruckt und verlegt. Mit dem Verleger-Ehepaar Vörösváry verband Sándor und Lola Márai eine langjährige Freundschaft, ihnen vertraute der Schriftsteller kurz vor seinem wohlgeplanten Ende den gesamten Nachlass zu treuen Händen an. In einer schriftlich niedergelegten Vereinbarung zwischen Márai und dem Verlagshaus ist festgehalten, dass die seinerzeitigen Besitzer der Vörösváry Publishing Company im Fall von Márais Ableben »über das ausschließliche Recht verfügen, Neuausgaben der bereits erschienenen Werke Sándor Márais zu veranstalten«. In einem Zusatz zu dieser Vereinbarung heißt es dann: »István Vörösváry kann frei über die Herausgabe der in den vier Überseekoffern befindlichen Manuskripte verfügen. Die Honorare bitte ich zu jeweils einem Drittel aufzuteilen …«
Bei der Sicherstellung dieser Hinterlassenschaft hat sich auch Csaba Gaál Verdienste erworben. Denn er war es, der die 22 Kartons mit zahllosen Manuskripten, Aufzeichnungen, Notizbüchern etc., von denen ein Großteil die Tagebuch-Unterlagen sind, zur weiteren Verwahrung und Betreuung dem Budapester Literaturmuseum überbrachte. Vor dieser begrüßenswerten Transaktion hat Gaál als Redakteur des Vörösváry Verlags, später als Nachfolger des Verlegers, selbst einige Bände unter dem Titel Was nicht in den Tagebüchern steht herausgebracht. Noch verdienstvoller aber war die Erstellung und Herausgabe des posthumen Tagebuch-Bandes der Jahre 1984 – 1989, bei dem Gaál, anders als seinerzeit der Autor selbst, bewusst auf jegliche Selektion des Materials verzichtete; er hat »jede einzelne der mit der Zeit immer weniger gewordenen Eintragungen berücksichtigt«, die »hieroglyphenähnlichen Aufzeichnungen« entziffert, zusammengestellt und 1997 publiziert. Dazu schrieb er mir: »[…] häufig hat Márai die Eintragungen mit der Feder geschrieben, und seine Handschrift ist nahezu unleserlich; auch auf der Schreibmaschine schlug er, fast blind, häufig auf benachbarte Tasten.«
Gegen die vollständige Veröffentlichung der Tagebuchtexte ließe sich vielleicht einwenden, dass Márai im Band für die Jahre 1943/44, den er selbst herausgab und der 1945 in Ungarn erschien, nicht ohne Grund nur eine Auswahl seiner Aufzeichnungen aufgenommen hat; und dass es möglicherweise nicht in seinem Sinne wäre, die Texte nun in aller Vollständigkeit der Öffentlichkeit preiszugeben. Auch die von ihm in der Emigration zusammengestellten Bände (die Tagebücher der Jahre 1945 – 1957, 1958 – 1967, 1968 – 1975, 1976 – 1983) enthalten nämlich nur eine Auswahl seiner Einträge. Im Falle des 1945 erschienenen Bandes waren es sicher die ihm aus politischen Gründen gebotene Zurückhaltung, aber auch Rücksicht auf noch lebende Personen seines Bekanntenkreises, deren Namen er nicht preisgeben wollte und die man auch dann hätte identifizieren können, wenn Márai sie nur mit den Anfangsbuchstaben erwähnt.
Bei den späteren Bänden sprachen bezüglich des Umfangs auch die Verlage ein Wort mit, es war eine Kostenfrage. Aber Márai plädiert im Tagebuchband 1945 doch für Vollständigkeit, wenn er schreibt: »Einige Auszüge dieses Tagebuchs sind in Buchform erschienen; eine gekürzte Fassung meiner Aufzeichnungen aus den Jahren 1943/44. Ein dicker Band, der aber nicht vollständig ist. Vieles, das einen tieferen Sinn hat, die Veröffentlichung aber nicht verträgt, fehlt.« Und auch als im Dezember 1984 der druckfrische Tagebuchband der Jahre 1967 – 83 bei ihm eintraf – zusammen mit dem bereits 40 Jahre zuvor geschriebenen ersten war dies der fünfte –, notierte Márai: »An Manuskripten enthält der Überseekoffer noch einmal so viel. Vielleicht werden sie eines Tages von zeitgeschichtlichem Interesse sein.« Ein wichtiger Hinweis darauf, dass der Autor auch diese weggelassenen Teile seiner Aufzeichnungen nicht für immer eliminiert wissen wollte.
Zu den Anmerkungen
Zwar enthielten weder der 1945 in Ungarn vom Autor veröffentlichte Tagebuch-Band noch die während Márais Emigration erschienenen Editionen erklärende Hinweise und Anmerkungen, doch liegt
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