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Tagebücher: 1909-1923

Tagebücher: 1909-1923

Titel: Tagebücher: 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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mich heute bei Max die litterarischen Nachrichten nicht zu sehr zerstreuen, werde ich noch die Geschichte von dem Blenkelt zu schreiben versuchen. Sie muß nicht lang sein, aber treffen muß sie mich] Fast zerbrochene Nase. Blondes, etwas steifes reizloses Haar, starkes Kinn. Während ich mich setzte, sah ich sie zum erstenmal genauer an, als ich saß, hatte ich schon ein unerschütterliches Urteil. Wie sich –

    21. VIII (1912) Unaufhörlich Lenz gelesen und mir aus ihm – so steht es mit mir – Besinnung geholt.

      Das Bild der Unzufriedenheit, das eine Straße darstellt, da jeder von dem Platz, auf dem er sich befindet, die Füße hebt, um wegzukommen.

    30. August (1912) Die ganze Zeit nichts gemacht. Besuch des Onkels aus Spanien. Vorigen Samstag recitierte Werfel im Arco die “Lebenslieder” und das “Opfer”. Ein Ungeheuer! Aber ich sah ihm in die Augen und hielt seinen Blick den ganzen Abend.
      Ich werde schwer aufzuschütteln sein und bin doch unruhig. Als ich heute nachmittag im Bett lag und jemand einen Schlüssel im Schloß rasch umdrehte, hat ich einen Augenblick lang Schlösser auf dem ganzen Körper wie auf einem Kostümball und in kurzen Zwischenräumen wurde einmal hier einmal dort ein Schloß geöffnet oder zugesperrt.

    Umfrage der Zeitschrift “Miroir” über die Liebe in der Gegenwart und über die Veränderungen der Liebe seit der Zeit unserer Großeltern. Eine Schauspielerin antwortete: Niemals hat man so gut geliebt wie heutzutage.
      Wie zerworfen und erhoben ich nach dem Anhören von Werfel war! Wie ich mich nachher geradezu wild und ohne Fehler in die Gesellschaft bei den Löwyschen hinlegte.

      Diesen Monat, der wegen der Abwesenheit meines Chefs besonders gut hätte benützt werden können, habe ich ohne viel Rechtfertigung (Absendung des Buches an Rohwolt, Abcesse, Besuch des Onkels) vertrödelt und verschlafen. Noch heute nachmittag habe ich mich mit träumerischen Entschuldigungen 3 Stunden auf dem Bett gedehnt.
      4 Sept. (1912) Der Onkel aus Spanien. Der Schnitt seines Rockes. Die Wirkung seiner Nähe. Die Detailierung seines Wesens. – Sein Schweben durch das Vorzimmer ins Kloset. Gibt dabei auf eine Ansprache keine Antwort. – Wird weicher von Tag zu Tag, wenn man nicht einen allmählichen Wechsel, sondern auffallende Augenblicke beurteilt. –

    5 Sept (1912) Ich frage ihn: Wie soll man das verbinden, daß Du unzufrieden bist, wie Du letzthin sagtest, und daß Du Dich in allem zurechtfindest, wie man immer wieder sieht (und wie es sich mit der solchem Zurechtfinden immer eigentümlichen Rohheit zeigt, dachte ich) Er antwortete, wie es sich in meiner Erinnerung auflöst: “Im Einzelnen bin ich unzufrieden, an das Ganze reicht es nicht heran. Ich nachtmahle öfters in einer kleinen französischen Pension, die sehr vornehm und teuer ist. Ein Zimmer für ein Ehepaar kostet z. B. mit Pension täglich 50 fr. Ich sitze dort also z. B. zwischen einem Legationssekretär der französischen Botschaft und einem spanischen Artilleriegeneral. Mir gegenüber sitzt ein hoher Beamter des Marineministeriums und irgend ein Graf. Ich kenne schon alle gut, setze mich auf meinen Platz mit Gruß nach allen Seiten, rede weil ich in eigener Laune bin, sonst kein Wort, bis auf den Gruß, mit dem ich mich wieder verabschiede. Dann bin ich allein auf der Gasse und kann wirklich nicht einsehn, wozu dieser Abend gedient haben soll. Ich gehe nachhause und bedauere nicht geheiratet zu haben. Natürlich verwischt sich das wieder, sei es, daß ich es zuende denke, sei es daß sich die Gedanken verlaufen. Aber bei Gelegenheit kommt es wieder. “
    8. Sept. (1912) Sonntag Vormittag

    Gestern Brief an Dr. Schiller
    Nachmittag

      Wie die Mutter mit stärkster Stimme nebenan unter einer Menge von Frauenzimmern mit kleinen Kindern spielt und mich aus der Wohnung treibt: Nicht weinen! Nicht weinen! u.s.w. Das gehört ihm! Das gehört ihm! u.s. w. Zwei große Menschen! u.s.w. Er will es nicht!…. Aber! Aber!.. Wie hat es Dir in Wien gefallen Dolphi? War es dort schön?… Ich bitte schauen Sie nur seine Hände an.
    11 Sept. (1912) Vorvorgestern Abend mit Utitz.

    Ein Traum: Ich befand mich auf einer aus Quadern weit ins Meer hineingebauten Landzunge. Irgendjemand oder mehrere Leute waren mit mir, aber das Bewußtsein meiner selbst war so stark, daß ich von ihnen kaum mehr wußte, als daß ich zu ihnen sprach. Erinnerlich sind mir nur die erhobenen Knie eines neben mir Sitzenden. Ich wußte

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