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Tagebücher 1909-1923

Tagebücher 1909-1923

Titel: Tagebücher 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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sterben bereit war, aber nicht deshalb, weil ich alles besorgt hatte, was mir zu tun auferlegt war, sondern weil ich nichts davon getan hatte und auch nicht hoffen konnte, jemals etwas davon zu tun.
    22 III (1912) (ich habe die letzten Tage falsche Daten geschrieben) Baums Vorlesung in der Lesehalle. Grete Fischer, 19 Jahre, heirathet nächste Woche. Dunkles fehlerloses mageres Gesicht. Gewölbte Nasenflügel. Seit jeher trägt sie jägerartige Hüte und Kleider. Auch dieser dunkelgrüne Abglanz auf dem Gesicht. Die Haarsträhnen welche die Wangen entlang laufen, scheinen sich mit frischen entlang der Wangen wachsenden zu vereinigen, wie überhaupt der Schein einer leichten Behaarung
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    über dem ganzen ins Dunkel gebeugtem Gesichte liegt. Schwach auf die Sessellehne gestützte Spitzen der Elbogen. Dann auf dem Wenzelsplatz eine schwungvolle, vollkommen mit wenig Kraft zuende geführte Verbeugung Wendung und Aufrichtung des ärmlich und rauh gekleideten magern Körpers. Ich sah sie viel seltener an, als ich wollte.
    24. III (1912) So. gestern. "Die Sternenbraut" von Christian von Ehrenfels. – Verloren im Anschauen, Unübersichtlichem rohen Zusammenhang gegenübergestellt, vor den 3 bekannten Ehepaaren gut mit mir verbunden. – Der kranke Offizier im Stück. Der kranke Leib in der gespannten, zur Gesundheit und Entschlossenheit verpflichtenden Uniform.
    Vormittag in reiner Laune eine 1/2 Stunde bei Max.
    Im Nebenzimmer unterhält sich meine Mutter mit dem Ehepaar Lebenhart. Sie sprechen über Ungeziefer und Hühneraugen. (Hr. Lebenhart hat 6 Hühneraugen an jedem Finger.) Man sieht leicht ein, daß durch solche Gespräche kein eigentlicher Fortschritt eintritt. Es sind Mitteilungen, die von beiden wieder vergessen werden und die schon jetzt ohne Verantwortungsgefühl in Selbstvergessenheit vor sich gehn.
    Eben deshalb aber weil solche Gespräche ohne Entrückung nicht denkbar sind, zeigen sie leere Räume, die wenn man dabei bleiben will, nur mit Nachdenken oder besser Träumen ausgefüllt werden können.
    25. III 12 Der den Teppich kehrende Besen im Nebenzimmer hört sich wie eine ruckweise bewegte Schleppe an
    26. III 12 Nur nicht überschätzen, was ich geschrieben habe, dadurch mache ich mir das zu Schreibende unerreichbar.
    27 III (1912) Montag faßte ich auf der Gasse einen Jungen der mit andern ein wehrlos vor ihnen gehendes Dienstmädchen mit einem großen Ball bewarf, gerade als dem Mädchen der Ball gegen den Hintern flog, beim Hals, würgte ihn in großer Wut, stieß ihn bei Seite und schimpfte. Gieng dann weiter und sah das
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    Mädchen gar nicht an. Man vergißt ganz an seine irdische Existenz, weil man so ganz von Wut erfüllt ist und glauben darf, daß man bei Gelegenheit ebenso mit noch schöneren Gefühlen vollständig sich erfüllen wird
    28. III (1912) Aus dem Vortrag der Fr. Fanta "Berliner Eindrücke": Grillparzer wollte einmal nicht in eine Gesellschaft gehn, weil er wußte, daß auch Hebbel, mit dem er befreundet war, dort sein würde. "Er wird mich wieder über meine Meinung über Gott ausfragen und wenn ich nichts zu sagen wissen werde, wird er grob werden." – Mein stockiges Benehmen.
    29 III 12
    Die Freude am Badezimmer. – Allmähliches Erkennen. Die Nachmittage die ich mit den Haaren verbrachte.
    1 IV 12 Zum erstenmal seit einer Woche ein fast vollständiges Mißlingen im Schreiben. Warum? Ich habe auch vorige Woche verschiedene Stimmungen durchgemacht und das Schreiben vor ihrem Einfluß bewahrt; aber ich fürchte mich darüber zu schreiben.
    3 IV (1912) – So ist ein Tag vorüber – Vormittag Bureau, nachmittag Fabrik, jetzt abends Geschrei in der Wohnung rechts und links, später die Schwester von Hamlet abholen – und ich habe mit keinem Augenblick etwas anzufangen verstanden 8 (6. ) IV 12 Charsamstag.
    Vollständiges Erkennen seiner selbst. Den Umfang seiner Fähigkeiten umfassen können, wie einen kleinen Ball. Den größten Niedergang als etwas Bekanntes hinnehmen und so darin noch elastisch bleiben.
    Verlangen nach einem tiefernSchlaf, der mehr auflöst.
    Metaphysisches Bedürfnis ist nur Todesbedürfnis
    Wie ich heute vor Haas, weil er Maxens und meinen
    Reisebericht lobte, geziert gesprochen habe, um mich des Lobes, das auf den Bericht nicht zutrifft, wenigstens dadurch würdig zu
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    machen oder um die erschwindelte oder erlogene Wirkung des Reiseberichtes im Schwindel fortzusetzen oder in der liebenswürdigen Lüge des Haas, die ich ihm zu erleichtern

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