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Tagebücher 1909-1923

Tagebücher 1909-1923

Titel: Tagebücher 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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elend und außerdem hatte ich Angst, vor dem Schneider mich lächerlich gemacht zu haben wie bisher keine seiner Kundschaften.
    3. I 12 Viel gelesen in der Neuen Rundschau. Anfang des Romans "Der nackte Mann", etwas zu dünne Klarheit im ganzen, in Einzelheiten unfehlbar. "Gabriel Schillings Flucht"
    von Hauptmann. Bildung der Menschen. Lehrreich im
    Schlechten und Guten.
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    Silvester. Ich hatte mir vorgenommen Nachmittag Max aus den Tagebüchern vorzulesen ich hatte mich darauf gefreut und brachte es nicht zustande. Wir fühlten nicht einheitlich, ich ahnte in ihm an diesem Nachmittag eine rechnerische Kleinlichkeit und Eile, er war fast nicht mein Freund, beherrschte mich aber immerhin noch soweit, daß ich mit seinen Augen mich in den Heften immer wieder nutzlos blättern sah und dieses Hin- und Herblättern, das immer wieder die gleichen Seiten im Vorüberfliegen zeigte, abscheulich fand. Aus dieser gegenseitigen Spannung heraus gemeinsam zu arbeiten war natürlich unmöglich und die eine Seite von R. u. S., die wir unter gegenseitigen Widerständen zustandebrachten, ist nur ein Beweis von Maxens Energie, sonst aber schlecht. Silvester bei Cada. Nicht so arg, weil Weltsch, Kisch und noch einer frisches Blut beimischten, so daß ich mich schließlich, allerdings nur in den Grenzen jener Gesellschaft doch wieder zu Max gefunden habe. Im Gedränge des Grabens drückte ich ihm dann schon ohne ihn zu sehn die Hand und gieng meine 3 Hefte an mich gepreßt, wie mir in der Erinnerung scheint, stolz geradewegs nach Hause
    Die Flammen, die auf der Gasse um einen Tiegel vor einem Neubau in den Formen von Farrenkräutern ringsherum aufwärts trieben.
    In mir kann ganz gut eine Koncentration auf das Schreiben hin erkannt werden. Als es in meinem Organismus klar geworden war, daß das Schreiben die ergiebigste Richtung meines Wesens sei, drängte sich alles hin und ließ alle Fähigkeiten leer stehn, die sich auf die Freuden des Geschlechtes, des Essens, des Trinkens, des philosophischen Nachdenkens der Musik zu allererst richteten. Ich magerte nach allen diesen Richtungen ab. Das war notwendig, weil meine Kräfte in ihrer Gesamtheit so gering waren, daß sie nur gesammelt dem Zweck des Schreibens halbwegs dienen konnten. Ich habe diesen Zweck natürlich nicht selbständ ig und
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    bewußt gefunden, er fand sich selbst und wird jetzt nur noch durch das Bureau, aber hier von Grund aus gehindert. Jedenfalls darf ich aber dem nicht nachweinen, daß ich keine Geliebte ertragen kann; daß ich von Liebe fast genau so viel wie von Musik verstehe und mit den oberflächlichsten angeflogenen Wirkungen mich begnügen muß, daß ich zum Sylvester Schwarzwurzeln mit Spinat genachtmahlt und 1/4 Ceres dazu getrunken habe und daß ich Sonntag bei Maxens Vorlesung seiner philosophischen Arbeit nicht teilnehmen konnte; der Ausgleich alles dessen liegt klar zutage. Ich habe also nur die Bureauarbeit aus dieser Gemeinschaft hinauszuwerfen, um, da meine Entwicklung nun vollzogen ist und ich soweit ich sehen kann, nichts mehr aufzuopfern habe, mein wirkliches Leben anzufangen, in welchem mein Gesicht endlich mit dem Fortschreiten meiner Arbeiten in natürlicher Weise wird altern können.
    Der Umschwung den ein Gespräch nimmt, wenn zuerst
    ausführlich von Sorgen der innersten Existenz gesprochen wird und hierauf nicht gerade abbrechend aber natürlich auch nicht sich daraus entwickelnd zur Sprache kommt, wann und wo man einander zum nächstenmale sehen wird und welche Umstände hiebei in Betracht gezogen werden müssen. Endet dieses Gespräch auch noch mit einem Händedruck, so geht man mit dem augenblicklichen Glauben an ein reines und festes Gefüge unseres Lebens und mit Achtung davor auseinander.
    In einer Selbstbiographie läßt es sich nicht vermeiden, daß sehr häufig dort wo "einmal" der Wahrheit gemäß gesetzt werden sollte, "öfters" gesetzt wird. Denn man bleibt sich immer bewußt, daß die Erinnerung aus dem Dunkel holt, das durch das Wort "einmal" zersprengt, durch das Wort "öfters" zwar auch nicht völlig geschont, aber wenigstens in der Ansicht des Schreibenden erhalten wird und ihn ber Partien hinträgt, die vielleicht in seinem Leben sich gar nicht vorgefunden haben
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    aber ihm einen Ersatz geben für jene, die er in seiner Erinnerung auch mit einer Ahnung nicht mehr berührt.

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    Heft 5
    4. I 11 (1912) Nur infolge meiner Eitelkeit lese ich so gerne meinen Schwestern vor, (daß heute z. B. zu spät zum

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