Tagebücher der Henker von Paris
Sogleich erhob sich auch ein Unheil verkündender Lärm um sie her, ihre nächsten Nachbarn ergriffen sie und von allen Seiten hörte man drohende Bemerkungen über die Verkleidung der Unglücklichen und über die aristokratischen Gefühle, die sie soeben bekundet hatte.
Man sprach bereits davon, sie vor das Revolutionstribunal zu führen, als Louvois sich einen Durchgang bahnte, sie der Menge entriß, mit der einen Hand ergriff und ihr mit der andern ein paar Ohrfeigen gab, indem er sagte:
»Ha, verräterisches Weib! Ich wußte wohl, daß du mich betrogst, aber ich hielt dich nicht für so schändlich und ahnte nicht, daß du dich mit einem Aristokraten abgäbest. Glücklicherweise hat das Volk seine eigenen Angelegenheiten und gleichzeitig auch die meinigen in Ordnung gebracht; fortan wird dein Geliebter ebensowenig mein Bett wie den Boden der Freiheit besudeln. Hast du dich an seinen Grimassen erfreut? Aber ich glaube gar, du heulst noch! Wollt ihr es glauben, Bürger, daß dieses schurkische Weib noch frech genug ist, über ihren Geliebten vor den Augen ihres Ehemannes zu weinen?«
Das unbefangene Geständnis, welches Louvois über sein vorgebliches eheliches Unglück machte, rief einige Witzworte in der Menge hervor. Man lachte, sprach nicht mehr von dem schrecklichen Tribunal und überließ es dem Gatten, seine schuldige Ehehälfte zu bestrafen.
Am Abend wurden die Leichname der beiden Hingerichteten nach der Madeleine gebracht; aber Louvois, der seine gute Tat nicht unvollendet lassen wollte, verschaffte der jungen Frau einen Paß, womit sie über die Grenze gelangte. Es war eine vornehme Dame, deren Namen ich aus Rücksicht, welche der Leser billigen wird, nicht nenne, obgleich derselbe schon in einigen Memoiren genannt worden ist, und zwar bei Gelegenheit, wo es sich darum handelte, die Käuflichkeit Fouquier-Tinvilles zu beweisen. Sie belohnte ihren Befreier auf großmütige Weise und setzte ihn in den Stand, sein Handwerk aufzugeben.
Marats Tod; Charlotte Corday
Im Jahre 1792 nahm man in der öffentlichen Meinung die Deklamationen Marats eher mit Widerwillen als mit Zorn, eher mit Verachtung als mit Haß auf. Viele Leute hüteten sich, die Ergießungen dieses wilden Verzückten, welche ebenso spaßhaft wie kläglich waren, ernsthaft zu nehmen. Das Burleske mit dem Lächerlichen verwechselnd, obgleich jenes schrecklich werden kann, überließen sie es dem gesunden Menschenverstand, darüber zu urteilen. Indem die Gironde ihn Mann gegen Mann angriff, verwandelte sie diesen Zwerg in einen Riesen; sie unterlag in dem Kampf und Marat wurde um hundert Armlängen höher, indem die Leichen der großen besiegten Redner ihm als Fußgestell dienten. Da man zu gleicher Zeit sah, daß das System der Ächtungen, welches er gepredigt hatte, das Wohlfahrtsgesetz der Republik wurde, so machten oberflächliche Geister den Schluß, er wäre der unerschütterliche Gebieter über das Schicksal der Nation, und setzten die eigentlichen Schreckensherrscher in die zweite Reihe. Von übertriebener Verachtung ging man ohne Zwischenstufe zu übermäßigem Schrecken über. Die begüterten Leute, die aufrichtigen Patrioten sahen Marat wie eine Art Alten vom Berge an, von dem jedes Wort als Mordbefehl galt und der die ganze Demagogie zum Schildträger hatte. Die Überreste der Gironde die sich um Wimpffen versammelt hatten, da dieser die Fahne der gemäßigten Republik erheben wollte, verbreiteten diese Ansicht weiter. Indem sie Marat als das Haupt der Partei, bezeichneten, die sie proskribiert hatte, widmeten sie diese Partei dem öffentlichen Abscheu und empfahlen sich zugleich selber der Begeisterung aller edlen Herzen.
Zu Caen lebte damals ein junges Mädchen, deren männliche, begeisterte Seele täglich durch die fleißige Lektüre der großen Geschichtsschreiber des Altertums mit dem Heldenmute vertrauter wurde. Sie hieß Maria Anna Charlotte Corday d'Armont; sie war in Ligneries, einem kleinen Dorfe in der Umgegend von Argentan, geboren. Ihre Familie war von Adel und zählte unter ihren Vorfahren eine der ruhmwürdigsten Größen der französischen Nation; ihr Vater Jacques François von Corday d'Armont stammte im dritten Grade von Maria Corneille, der Schwester des Verfassers des Cid. Herr von Corday war arm; sein Einkommen betrug nicht über 1500 Livre. Frau von Corday starb, als Charlotte noch ein Kind war. Dieser frühzeitige Schmerz und die darauf folgende Verlassenheit übergaben sie schon frühzeitig dem ernsten
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