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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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Herr, denn Ihr, der mich so genau kennt, solltet wissen, daß ich Edelmann bin und daß man die Edelleute nicht hängt.« »Ich erkläre nichts, Herr Chevalier – ich sage nur, was geschehen wird – das ist alles.«
    »Gottes Tod! mein Herr,« sagte Paul Bertaut, sich dem Fremden nähernd, »vielleicht haben Sie mir auch etwas zu sagen.«
    »Nach dem, was ich soeben Ihrem Kameraden gesagt habe,« erwiderte der Fremde, »ist Ihre Neugierde Kühnheit, mein Herr.«
    Aber der Chevalier von Blignac trat dazwischen.
    »Ich muß Ihnen sagen, mein Herr, daß dieses zweite Experiment für mich nichts beweisen würde. Man enträtselt leicht ein Gesicht, das, wie das meinige, den Namenszug aller Leidenschaften seines Eigentümers trägt; ebenso leicht ist es, ohne Anstoß auf einer Physiognomie von zwanzig Jahren zu lesen. Wollen Sie, daß ich der Perspektive, die Sie mir an meinem Horizont eröffnet haben, vollen Glauben beimesse, dann probieren Sie Ihre Wissenschaft auf dem Marmorgesichte meines Kameraden. Wenn Sie entdecken, was ich seit drei Jahren, in denen er mein Kamerad ist, vergebens suche, so werde ich an Ihre Kabbala glauben, als ob wir noch zur Zeit Katharinas von Medici lebten.«
    Charles von Longval hatte seine Hand hingereicht. Der Fremde hatte sie kaum betrachtet, als er in das fieberische Nachsinnen des Weisen über das, was in seinen Augen den Charakter eines Wunders annimmt, versank.
    »Sonderbar! Sehr sonderbar!« murmelte er.
    »Nun wohl, Gottes Tod!« sagte der Gaskogner. »Ist Eure Zauberei schon in die Brüche gekommen?«
    Der Fremde hatte sich seinem Nachsinnen vollständig entschlagen, und eine lebhafte Bewegung gab sich an ihm kund.
    »Sie sind unter einem schrecklichen Stern geboren worden, mein Herr,« sagte er halblaut, »und in den Runzeln Ihrer Stirn wie in den tiefen Furchen Ihrer Hand sehe ich Ihre Existenz durch ein Unglück, von dem es wenige Beispiele gibt, beherrscht.«
    »Hum, hum!« brummte der Chevalier von Blignac. »Das ist ja eine sich wenig kompromittierende Wahrsagerkunst.«
    »Still!« gebot der junge Offizier.
    »Sie haben geliebt; der Gegenstand Ihrer Liebe war mit Ihnen durch Bande des Blutes verwandt, und diese bis dahin so reine Liebe wurde ein Verbrechen – Sie haben fliehen wollen; Sie haben die Unermeßlichkeit der Meere zwischen sich und die gelegt, die Ihnen nicht mehr angehören konnte; es war vergebens. – Ihr Bild hat Sie ohne Rast und Ruhe verfolgt. Die Probe war zu stark für Ihr Alter, Sie haben ihr nicht widerstanden. – Es kam eine Stunde, in der Sie, um sie wiederzusehen, das Heil Ihrer Seele auf das Spiel gesetzt haben würden. Sie haben sie wiedergesehen. – Auch sie erwartete Sie; auch sie hatte gelitten; sie verlangte Ihre Hilfe und bat Sie, zu ihr zurückzukehren. Sie gehorchten, und von diesem Augenblicke an war Ihre Existenz nur noch ein schrecklicher Kampf zwischen Pflicht und Leidenschaft. Diese Leidenschaft suchen Sie jetzt noch zu ersticken, denn neue Gefühle sind in Ihrem Herzen erwacht –«
    »Genug, genug, ich beschwöre Sie darum, mein Herr!« sagte der junge Offizier mit zitternder Stimme.
    Paul Bertaut war blaß wie ein Gespenst.
    Herr von Blignac hatte einen Pfropfen aufgenommen und schnitt ihn maschinenmäßig entzwei, ohne die in dieser Szene handelnden Personen aus den Augen zu lassen.
    Alle vier blieben einige Augenblicke lang still; der Fremde nahm zuerst wieder das Wort.
    »Ich bedaure, mein Herr,« sagte er, sich an den jungen Offizier wendend, der seine in Schweiß gebadete Stirn trocknete, »ich bedaure, den Kummer Ihres Herzens wieder erweckt zu haben, um auf das Mißtrauen, das mir der Herr Chevalier zeigte, zu antworten, und ich bitte Sie um Verzeihung.«
    »Mein Herr,« erwiderte Herr von Longval, der seit einer kleinen Weile aufgeregt im Saale umherging, »Sie haben nur von der Vergangenheit zu mir gesprochen, und diese Vergangenheit ist düster genug, daß Sie mir das Recht zuerkennen werden, Sie jetzt auch um die Zukunft zu befragen. Wollen Sie, ich bitte darum, meinem Wunsche entsprechen?«
    Der Fremde nahm seinen Mantel und warf ihn über die Schultern.
    »Lassen Sie mich gehen, lassen Sie mich fort, junger Mann,« sagte er. »Glauben Sie mir, versuchen Sie nicht, den bleiernen Vorhang zu heben, den die Vorsehung zwischen Ihre Augen und die Tage, die Sie noch zu leben haben, hat fallen lassen. Wenn ich Herrn von Blignac das Schicksal, das, meinen Konjekturen zufolge, seine Laufbahn schließen soll, offenbart habe, so

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