Tagebücher der Henker von Paris
rückwärts übergefallen sein.
Er hatte die Handschrift seiner Schwägerin erkannt, und diese Schrift war zur Hälfte durch die Tränen, welche das Papier durchnäßt hatten, verwischt. Bevor Charles noch den Brief geöffnet hatte, erriet er schon, daß Jean Baptiste tot sei.
Wirklich kündigte ihm Colombe das Unglück an, das sie betroffen hatte. Sie fügte hinzu, daß ihre Verzweiflung um so größer sei, als sie zu ihm von anderen Dingen sprechen müsse als von dem, den sie verloren hätten. Die sterblichen Überreste des armen Blinden waren noch nicht bestattet, als seine alten Kollegen, die Männer des Gesetzes, sich auf die armselige Beute stürzten. Colombe hatte nicht unter dem bescheidenen Dache bleiben dürfen, das den Ruin ihres Mannes beschützt hatte; sie hatte weder Hilfe noch Mitleid bei den Verwandten gefunden, die ihr noch zu Abbeville geblieben waren; da hatte sie an ihren Bruder gedacht und sich auf die Reise gemacht, um ihn zu suchen, aber ihre Kräfte hatten ihren Mut im Stiche gelassen; abends zuvor hatte sie im Dorfe Envermeu, einige Meilen von Dieppe, haltmachen müssen und erwartete, daß Charles sie von dort abhole, um sie in das Asyl zu führen, das er für sie wählen würde.
Charles blieb einen Augenblick unbeweglich, stumm und ganz niedergeschmettert durch die empfangene Mitteilung. Endlich riß er sich aus seiner Erstarrung, entließ den Boten, sattelte selbst sein Pferd und jagte verhängten Zügels nach Envermeu.
Gegen fünf Uhr abends langte er bei Envermeu an.
Dicht vor dem Dorfe, auf der Höhe des letzten Hügels, stand ein steinernes Kreuz; aus dem Talgrunde schon bemerkte Charles eine schwarzgekleidete Frau, die auf den Stufen dieser kleinen Kapelle saß. Sein Pferd, das durch die Schnelligkeit des Laufes außer Atem gekommen war, wollte eine langsamere Gangart annehmen, aber heftig von seinem Reiter angetrieben, setzte es sich in Galopp und hatte in einigen Sekunden den Gipfel des Hügels erreicht.
Colombe hatte ihren Boten bis dahin begleitet und sich dort niedergelassen, um die Ankunft dessen, den sie zu sich berufen hatte, zu erwarten.
Als sie seine Annäherung bemerkte, verbarg sie ihr Antlitz in die Hände. Charles war von seinem Pferde gesprungen und stand vor ihr; aber sie erhob das Haupt nicht; man hörte nur ihr Schluchzen und sah, wie sich ihre Brust hob und in einem konvulsivischen Krämpfe abquälte.
Charles rief seine Schwägerin bei Namen und beugte sich über sie, aber Colombe, die sich erhob, vermied seine Umarmung und zeigte auf das Kreuz, das vor ihnen seine schwarzen, mit Moos bewachsenen Arme ausstreckte; sie schien damit sagen zu wollen, daß er, bevor er zu ihr käme, erst zu dem gehen solle, der in allen Bekümmernissen und Sorgen aufrechterhält und tröstet.
Beide knieten auf die Granitstufen nieder, und ihre Herzen vereinigten sich in einem Gebete für den, der nicht mehr war.
Als Charles sich wieder erhob, fühlte er sich sonderbar erfrischt und gestärkt.
Er nahm ihre Hand, und er fühlte bei ihrer Berührung nicht wie ehemals einen leisen Schauer in seinem Körper; er blieb ruhig, wenn er sie, die trotz ihrer Blässe und der Anzeichen ihres Leidens immer noch schön war, betrachtete. Er atmete frei und glücklich.
Er begriff, daß er mit der Stärke, die ihm diese reine und keusche Zuneigung geben werde, von jetzt an dem Unglück trotzen könne.
So gingen sie Seite an Seite bis nach der Hütte der Bauern, die, von Colombes Verzweiflung gerührt, ihr tags zuvor Gastfreundschaft gewährt hatten.
Charles wünschte, daß Colombe, die schwach und kränklich schien, noch einen Tag länger bei ihren Wirtsleuten bliebe, aber sie hatte, beruhigt durch die Offenheit, mit der ihr Freund sein Unrecht gestanden hatte, durch die Ruhe seiner Sprache und seines ganzen Benehmens, Eile, Envermeu zu verlassen und nach Dieppe zu gelangen.
Charles setzte sie auf sein Pferd; er nahm die Zügel des Tieres in die Hand, und indem er nebenher ging, schlugen sie den Weg nach der Stadt ein.
Unterwegs sprachen sie viel von der Vergangenheit, d.h. von Jean Baptiste, denn es schien sich nunmehr von selbst zu verstehen, daß der Horizont, den sie hinter sich ließen, von dem Tage begrenzt war, an dem Charles das Haus Pierre Brossiers verlassen hatte; sehr viel plauderten sie auch von der Zukunft.
In dem Augenblicke, in dem Colombe mit beredteren Worten, als es meine Feder vermag, das Gemälde der Glückseligkeit entwarf, die sich jetzt, nachdem sie sich so heiß
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