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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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ihren Beleidigungen, Drohungen und brutalen Mißhandlungen eine ruhige und heitere Stirn bot; sie wurde schüchterner in der Kundgebung ihrer Wut, als sie bemerkte, daß das Opfer schwankte und der Gebrechlichkeit unseres elenden Körpers unterlag.
    Man mußte Bailly unterstützen, als er die Stufen zum Schafott hinabstieg; als er unten war, lächelte er, als ob sein Herz sich erleichtert fühlte und sagte zu Charles Henri:
    »Schnell, mein Herr, sputen Sie sich, ich bitte darum!«
    Ach, dieser letzte Wunsch sollte noch nicht erfüllt werden! Das Urteil bestimmte, daß die rote Fahne vor dem ehemaligen Maire von Paris durch Henkershand verbrannt werden sollte. Dieser Formalität mußte genügt werden; aber das herbeigebrachte Feuerbecken war sehr schlecht in Glut gesetzt, und die Flamme versengte nur den durchnäßten Stoff, der wegen seiner wolligen Bestandteile überhaupt nicht leicht Feuer faßte. Man brach eine Planke vom Schafott ab, spaltete diese in dünne Stücke und zündete eine Lohe an, welche die Fahne schnell verzehrte.
    Die Fabel, wonach der Scharfrichter dem Delinquenten die brennende Fahne unter die Nase gehalten und die Flamme die Kleidungsstücke Vaillys ergriffen haben soll, verdient keinen Glauben.
    Diese Vorbereitungen hatten indes Zeit geraubt und der Leidende wurde immer schwächer; er war nahe daran, zum zweiten Male in Ohnmacht zu fallen. Als alle Bestimmungen des Urteilsspruches erfüllt waren, näherte sich mein Großvater dem Verurteilten; dieser merkte, daß er sich dem Ende seiner Leiden nähere und schien sich wieder zu erholen. Charles Henri führte ihn zum Fallbrett und half ihn dort befestigen; während er ihn festschnallte, sagte er zu ihm:
    »Mut, Mut, Herr Bailly!«
    Der erhabene Märtyrer wendete den Kopf nach rechts und antwortete mit vollkommen deutlicher Stimme:
    »Ha, jetzt bin ich dem Hafen nahe und…«
    Der Fall des Beils, welches ein Gehilfe niederließ, gestattete ihm nicht, seine Rede zu vollenden.
Tagebuch des Charles Henri Sanson
Madame Dubarry, Biron, die Cordeliers.
    28. Brumaire. Heute morgen waren wir in der Conciergere; als ich mich in dem Vorzimmer der Kanzlei befand, kamen zwei Bürger vorbei, die man zum Verhör führte; einer derselben, der ein Militär namens Boisguyon sein soll, näherte sich mir und sagte mit ganz auffallender Höflichkeit:
    »Habe ich die Ehre, mit dem Bürger Scharfrichter zu sprechen? Nicht wahr, Bürger, es ist bei Ihnen wie beim Tanze: sobald man sich gestellt hat, fangen die Geigen, das heißt hier das Fallbrett, an aufzuspielen, so daß einem nicht mehr die Zeit bleibt, auch nur zwei Worte zu sprechen?«
    Ich antwortete zustimmend.
    Darauf wendete er sich an seinen Gefährten und sprach:
    »Sie sehen, Dupré, daß ich recht habe und daß Sie Ihre Rolle sehr schlecht gespielt haben. Wir hätten Fouquier bitten sollen, daß er dem Bürger erlaubte, unsere Probe zu leiten!«
    Die Gendarmen führten sie ab, aber man hörte sie noch im Fortgehen lachen. Er spielte bereits auf eine Parodie der Hinrichtung an, welche seitdem den Gefangenen zu großer Zerstreuung gereichte. Die Heiterkeit jener Leute flößte mir Entsetzen ein.
    Heute, am 30. Brumaire, hat die Sektion der Unité den Nachlaß des Aberglaubens aus der ehemaligen Abtei von Saint-Germain-des-Prés dem Konvente überbracht. Ich sah den Zug vorbeikommen. An der Spitze marschierte eine Rotte der bewaffneten Macht; dann folgten Männer, welche die priesterlichen Kostüme über ihre Kleider gezogen hatten und in zwei Reihen gingen. In der Mitte Frauen und weißgekleidete Mädchen mit dreifarbigen Schärpen, endlich auf Tragbahren Kelche, Ziborien, Monstranzen, Kandelaber, goldene und silberne Schüsseln und der ganz mit Edelsteinen bedeckte Reliquienkasten. Dann folgte zuletzt ein mit schwarzem Tuch bedeckter Katafalk und ein Musikkorps, welches das Marlboroughlied spielte. Diese Beute soll mehr als eine Million wert sein; war es aber nicht besser, sie in dem Kasten zu lassen, als sie offen über den Straßenkot zu tragen? Das Tribunal hat uns Ferien gegeben; solche Tage fangen bereits an selten zu werden.
    1. Frimaire. Wir haben den armen Bürger Boisguyon abgeholt, der sich so über die Guillotine gefreut hatte. Als man ihn abführte, sagte er:
    »Heute gibt es etwas Gutes, Ihr werdet Euch wundern, wie ich meine Rolle zu spielen verstehe.«
    Mit ihm war Girey-Dupré, mit Brissot an der Redaktion des »Französischen Patrioten« beteiligt. Letzterer hatte sich vor dem Verhör von

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