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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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mir schon dadurch Teilnahme einflößte, wenn er von Dir kam. Gestern, als der Bürger zurückkehrte, der Dir meinen Brief überbracht hat, befragte ich ihn, wie ich früher den Abbé von Longville fragte, und ich sah ihn an, als ob auf seinen Kleidern, an seiner Person etwas von Deiner Gegenwart, von Dir selber haften geblieben wäre. Ich entdeckte eine Spalte in meinem Zimmer, legte mein Ohr daran und hörte seufzen; ich wagte einige Worte und vernahm die Stimme eines Leidenden. Er fragte mich nach meinem Namen, und ich nannte ihm denselben.
    ›O mein Gott!‹ rief er bei diesem Namen, indem er auf sein Bett zurücksank.
    Und ich erkannte deutlich die Stimme von Fabre d'Eglantine. ›Ja, ich bin Fabre,‹ sagte er zu mir, ›aber wie kommst Du hierher? So hat also die Reaktion gesiegt?‹
    Wir wagten jedoch nicht, miteinander zu sprechen, aus Furcht, der Haß möchte uns diesen schwachen Trost beneiden, und man könnte uns, wenn man uns hörte, trennen und in engeren Verwahrsam bringen. Wenn es noch Pitt oder Cobourg wären, die mich so hart behandeln, aber meine Kollegen, aber Robespierre, der den Befehl meiner Verhaftung unterzeichnete; aber die Republik, für die ich so viel getan habe! Ich sehe, welches Schicksal mich erwartet. Lebe wohl, meine Lucile, meine teure Lolotte, sage meinem Vater Lebewohl! Du siehst an mir ein Beispiel der Barbarei und der Undankbarkeit der Menschen; meine letzten Augenblicke werden Dir keine Schande machen. Du siehst, daß meine Furcht begründet, daß meine Ahnung immer wahr war.
    O meine geliebte Lucile, ich war geboren, um Verse zu machen, um die Unglücklichen zu verteidigen, um Dich zu beglücken, um mit Deiner Mutter und meinem Vater und einigen Personen nach der Wahl unseres Herzens ein glückliches Otahiti zu bilden! Ich hatte eine Republik geträumt, die alle Welt angebetet hätte! Ich konnte nicht glauben, daß die Menschen so wild und ungerecht seien! Wie konnte ich denken, daß einige Scherzreden in meinen Erzählungen gegen Amtsgenossen, die mich gereizt hatten, das Andenken an meine Dienste auslöschen könnten! Ich verberge mir nicht, daß ich als Opfer dieser Späße und meiner Freundschaft für Danton sterbe. Ich danke meinen Mördern, daß sie mich mit ihm und Philippeaux sterben lassen; und da unsere Kollegen feige genug sind, uns zu verlassen, so leuchtet mir ein, daß wir als Opfer unseres Mutes, als Ankläger der Verräter und als Verehrer der Wahrheit sterben müssen. Verzeihe, geliebte Freundin, seit dem Augenblick, wo man uns trennte, habe ich mein wirkliches Leben verloren und beschäftige mich mit meiner Erinnerung; freilich, ich sollte es mir lieber angelegen sein lassen, Dich die Vergangenheit vergessen zu machen. Meine Lucile, ich beschwöre Dich, rufe mich nicht mit Deinem Wehklagen, es würde mir das Herz noch im Grabe zerreißen! Lebe für Deinen Kleinen, für Horaz, sprich ihm von mir! Du kannst ihm sagen, was er nicht mehr hören kann: daß ich ihn sehr geliebt habe! Ungeachtet meiner Qualen glaube ich, daß es einen Gott gibt! Mein Blut wird meine Fehler, die Schwachheit des Menschen auslöschen; und was Gutes an mir ist: meine Tugenden, meine Liebe für die Menschheit wird Gott belohnen! Ich werde Dich einst wiedersehen, o Lucile! o Annette! Ist der Tod, der mich vom Anblick so vieler Verbrechen befreit, ein so großes Unglück für mich, der ich so gefühlvoll bin? Lebe wohl, meine Lucile, meine geliebte Lucile! Lebe wohl, Horaz, Annette! Lebe wohl, mein Vater! Ich sehe das Gestade des Lebens von mir fliehen! Ich sehe noch Lucile! ich sehe sie! meine verschränkten Arme umfassen Dich, meine gebundenen Hände umarmen Dich! und mein abgetrennter Kopf ruht auf Dir. Ich werde sterben!«
    In der Nacht vom 12. zum 13. wurden die Angeklagten aus dem Luxembourg nach der Conciergerie gebracht. Als Danton unter die Wölbung gelangte, die er nur noch durchschreiten sollte, um zum Tode geführt zu werden, sagte er zu seiner Umgebung:
    »Zu einer solchen Zeit habe ich das Revolutionstribunal eingesetzt, ich bitte Gott und die Menschen dafür um Verzeihung. Ich gehe zum Schafott, weil ich einige Tränen über das Schicksal der Unglücklichen vergossen habe. Meine einzige Reue im Tode wird sein, daß ich ihnen nicht dienen konnte.«
    Am 13. Germinal erschienen sie vor dem Gerichtshofe. Die Komitees hatten alle Sorgfalt auf die Zusammensetzung dieses Tribunals verwendet. Zu Geschworenen hatte man diejenigen gewählt, die sich selber die Soliden nannten;

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