Tagebücher der Henker von Paris
auf das Brett geschnallt, und ihr Kopf fiel. Um elf Uhr abends wurde sie mit den übrigen Verurteilten zu Mousseaux beerdigt; man warf viel Kalk auf ihren Körper, ebenso wie auf den des Königs und der Königin. Wie vorsichtig man auch die Leichname nach dem neu angelegten Kirchhofe befördert, so hat das Publikum doch entdeckt, daß man sie nicht, wie ausgesprengt worden war, auf dem Kirchhofe Saint Roche beerdige; und die Bewohner des Dorfes Batignolles beklagen sich jetzt ebenso über diese Nachbarschaft, wie sich früher die von Madeleine beschwerten.
Die Schreckensherrschaft
Tagebuch des Henkers
Der dunkle Himmel, unter dem wir leben, scheint sich ein wenig zu klären. Am 18. hat Robespierre eine Rede gehalten, in welcher er sich wirklich beredt zeigte, wahrscheinlich, weil er aufrichtig war. Infolge dieser Rede erklärten dieselben Repräsentanten, welche Gobels Abschwörung und dem daraus entstandenen Skandale Beifall gezollt hatten, durch ein Dekret, daß das französische Volk das Dasein des höchsten Wesens und die Unsterblichkeit der Seele wieder anerkenne. Viele Leute scherzen über diesen lieben Gott, mit dem wir durch das Gesetz versehen worden sind; aber alle Leidenden, und zu diesen möchte ich mich zählen, fühlen sich ein wenig durch diesen einfachen Satz getröstet. Wenn man das Dasein eines höchsten Wesens erklärt, so nimmt man die Verpflichtung auf sich, zur Gerechtigkeit, welche sein Gesetz ist, zurückzukehren. Daß dies bald geschehe, ist mein erstes Gebet, welches ich an den Gott des Konvents richte. Heute wurden acht hingerichtet.
23. Floreal. Mein gestriges Gebet ist noch nicht erhört worden, denn der Bürger Fouquier hat uns aufgetragen, für neue Gehilfen zu sorgen. – Man sagt, die Gefangenen regen sich in den Gefängnissen, und man müsse Luft machen. Sie sollen Verschwörungen anzetteln, um die Republik zu stürzen; dies setzt mich nicht in Erstaunen; aus dem, was ich in der Conciergerie sehe, errate ich, was in den anderen Gefängnissen vorgehen mag. Überallhin schickt man Agenten mit dem Auftrage, die Gefangenen zum Schwatzen zu bringen; sie versetzen sie in die höchste Aufregung, indem sie die Hoffnung in ihnen erwecken, ihre Freiheit wiederzuerlangen; dies ist erklärlich, denn heute ist die Freiheit gleichbedeutend mit Leben; so gewinnt der falsche Bruder auf ein übereiltes Wort, eine Hoffnung, eine Verwünschung hin sein Geld, indem er den Unglücklichen anzeigt und den verzeihlichen Wunsch, der Guillotine zu entgehen, zu einer großen Verschwörung umwandelt. Ich habe sechzehn Menschen zusammengebracht. Das Betrübendste ist, daß man mit uns so verfährt, als sollte der jetzige Zustand ewig dauern. Die Hälfte des Personals muß bis zur Beendigung der Verhöre beständig auf dem Posten sein. Die Frauen werden fortan in dem Quartier der Gefängnisschließer zugerüstet; die Gerichtsdiener gehen nach der Reihe nach dem Revolutionsplatze und sind nicht mehr von der Laune des Kanzleigehilfen abhängig, woraus sich früher unangenehme Auftritte ergaben; endlich hat uns der öffentliche Ankläger befohlen, die Verurteilten strenge nach dem Aufrufe zu befördern.
24. Floreal. Unter den heute Hingerichteten befand sich Rollet d'Avaux, der ehemalige Präsident der Landvogtei von Riom. Er war sehr alt und sein Gesicht so schwach, daß er kaum allein gehen konnte; seine Verurteilung hatte so mächtig auf ihn gewirkt, daß er fast ohne Verstand war; seine Frau erhielt die Erlaubnis, bei ihm zu bleiben; sie führte ihn an der Hand in das Vorzimmer der Kanzlei; beim Eintreten fragte er sie:
»Wohin führst du mich?«
Sie antwortete: »Ins Paradies.«
25. Floreal. Wir haben heute Charles Auguste Prévost d'Arlincour, Generalpächter und Vater des am 19. Hingerichteten, fortgeführt. Er war ein Greis von sechsundsiebzig Jahren. Die Sansculotten sind gegen die, welche ihren Tabak verdorben haben sollen, erbitterter, als wenn sie das Brot, welches uns alle nährt, gefälscht hätten. Sie hatten kein Erbarmen mit dem alten Mann. Es würde auch nicht gut sein, dies zu zeigen. Die Zahl der Beobachter, welche uns begleiten, ist wenigstens verdoppelt, seitdem die Bewohner der Straße Honoré sich in ihren Häusern verbergen.
29. Floreal. Bourrée-Corberon, der Sohn des am 1. des vorigen Monats Hingerichteten Expräsidenten, wurde heute guillotiniert, mit ihm zehn von dem Revolutionstribunal und zwei von dem Kriminalgericht Verurteilte. Heute morgen kam einer, der vor Mechanik und
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