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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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Patriotismus verrückt geworden war, und ersuchte mich, das von ihm verfertigte Modell zu einer Guillotine mit drei Fallbeilen zu prüfen; wenn ich noch lachen könnte, so würde mich sein Benehmen außerordentlich belustigt haben. Er war fast rasend vor Stolz über seine Entdeckung und voll Haß gegen die Aristokraten. Nichts Geringeres als das Pantheon müßte ihm, seiner Meinung nach, für seine Entdeckung werden, welche die Ausrottung der Aristokraten vollenden und die Republik auf immer befestigen würde. Er verließ mich, um sich nach dem Sicherheitskomitee zu begeben. So hat also das traurige Wort, welches von der Tribüne des Konvents erscholl: »Nur die Toten kehren nicht wieder!« seinen Weg gemacht.
    3. Prairial. Leflot, Douanenkapitän zu Tréguier, wurde heute hingerichtet. Am letzten Rivôse irrte eine Räuberfrau in der Umgegend der Stadt mit einem kleinen Kinde umher; sie litt Kälte und Hunger und härmte sich, ihren Sohn sterben zu sehen, denn vor Ermüdung und Entbehrung hatte sie ihre Milch verloren. Niemand kümmerte sich, ihr ein Obdach oder auch nur einen Bissen Brot zu geben. Ein braver Soldat von den Douanen wagte es, was niemand wagte: er verbarg sie in einer Felshöhle, verschaffte ihr einige Kleidungsstücke, bereitete ihr eine Streu und beraubte sich jeden Tag seiner halben Ration, um sie ihr zu überbringen. Glücklicherweise sind die guten Gefühle ebenso ansteckend wie die bösen. Die anderen Soldaten der Douanen hatten ihren Kameraden gehen und kommen sehen und säumten nicht, ihm sein Geheimnis abzulauschen. Anfänglich versprachen sie nur, zu schweigen, bald aber wurden sie von einer ansteckenden Wohltätigkeitssucht ergriffen und beschlossen, trotz der Dekrete und Gesetze, welche ihnen unbarmherzig zu sein befahlen, jenen noch in der Mildtätigkeit zu übertreffen. Die Räuberfrau wurde mit ihrem Kinde auf einem Küstenfahrer eingeschifft, und während der Nacht brachten sie dieselbe an Bord eines englischen Schiffes, welches sie anriefen, in Sicherheit. Unglücklicherweise blieb der Streich, den sie den Kopfabschneidern gespielt hatten, nicht verborgen; sie schwatzten, und die Geschichte wurde ruchbar. Als der Kommandant Kunde davon erhielt, wollte er die Schuldigen kennenlernen; obgleich jedoch mehr als sechzig die Namen derselben anzugeben wußten, fand sich dennoch nicht ein einziger bereit, sie anzuzeigen. Als der Kommandant den zehnten Mann auszuheben drohte, antworteten sie ihm lächelnd: er sei ein viel zu braver Mann, um dies zu tun. Der Hauptmann Leflot war in der Tat ein braver Mann; er wollte nicht minder mutig und großmütig sein als die Soldaten, welche er befehligte; er zeigte sie nicht bei der Behörde an, sondern rechnete darauf, daß die sich täglich ereignenden wichtigeren Begebenheiten das Gerücht, welches in Tréguier über dieses kleine Ereignis umlief, ersticken würden. Er täuschte sich jedoch und mußte seinen Glauben mit seinem Kopfe büßen.
    4. Prairial. Unter den Hingerichteten dieses Tages befanden sich auch drei Brüder: Joseph Henri, Joseph Auguste und Joseph Antoine de Barrème, alle drei vom ersten Husarenregiment. Sie hatten einen nahen Verwandten in der Armee der Emigranten. Eines Tages befand sich der eine von ihnen, Joseph Henri, auf dem Vorposten in geringer Entfernung von diesem Verwandten, der wie er als reitende Schildwache diente. Sie vergaßen beide die Verschiedenheit ihrer Kokarden und umarmten sich noch einmal vor dem Kampfe. Dies war das Verbrechen der drei Brüder, das übrige machte ihre adlige Geburt. Sie starben mutig und erklärten, daß sie von dem alten Regime nur den Tod durch Erschießen bedauerten, worauf sie in ihrer Eigenschaft als Soldaten Anspruch gehabt haben würden.
    27. Prairial. Ich kam heute ins klare über die Leibwächter, welche, wie man sagt, dem Bürger Robespierre überallhin folgen. Ich traf ihn an einem sehr abgelegenen Ort, und seine Schildknappen beschränkten sich auf einen schwarzweißen Fleischerhund, der allerdings von Ehrfurcht erweckender Größe und Stärke war. Martin hatte mir heute morgen vorgeschlagen, meinen Dienst zu verrichten; ich nahm es an; ich habe schon lange meinen kleinen Nichten versprochen, sie über Land zu führen, und ich selber wünschte die Guillotine einen Tag zu vergessen. Wir kamen durch Clichy und schlugen einen Fußweg über die Getreidefelder ein. Diese noch grünen Felder sind voller Blumen. Die Kinder sprangen vor Freude und baten mich um die Erlaubnis, einen

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