Tagebücher der Henker von Paris
die Tribüne.
»Ich habe« – sprach er – »mit Schrecken und Erstaunen auf der Liste der neuen Mitglieder, welche zur Bildung des Revolutionstribunals vorgeschlagen worden, Männer gesehen, welche die öffentliche Meinung zurückweist. Ganz Paris verlangt die wohlverdiente Hinrichtung von Fouquier-Tinville. (Allgemeine Zustimmung.)
Ihr habt den schändlichen Dumas und die Geschworenen, welche mit ihm an dem Verbrechen des Schurken Robespierre teilnahmen, vor das Revolutionstribunal gestellt. Ich will euch beweisen, daß Fouquier-Tinville ebenso strafbar wie jene ist; denn wenn der Präsident und die Geschworenen unter Robespierres Einfluß standen, so war dies derselbe Fall mit dem öffentlichen Ankläger, weil er die Anklageakten aus demselben Gesichtspunkte abfaßte. Ich verlange, daß Fouquier-Tinville in der Hölle das Blut keltere, welches er vergossen; ich verlange einen Haftbefehl gegen ihn.«
Mehrere Mitglieder: »Zur Abstimmung über den Haftbefehl!«
Turreau: »Ich erkläre mich gegen den Haftbefehl. Es hieße diesem Schurken zu große Ehre erweisen; ich verlange, daß man ihn einfach für verhaftet, verurteilt und dem Revolutionstribunal übergeben erkläre.«
Dieser Antrag wird angenommen, und man zollt ihm wiederholten Beifall.
Dieses Dekret wurde gegen Mittag erlassen; um vier Uhr nachmittags stellte sich Fouquier selber als Gefangener in der Conciergerie, wo er seinen ehemaligen Kollegen vom Tribunal, Coffinhal, wiederfand.
Des letzteren Leben war durch die Aufhebung des Revolutionstribunals um einige Tage verlängert worden: es bedurfte eines Dekrets seitens des Konvents, um das Kriminalgericht zu bevollmächtigen, die Identität des Verurteilten festzustellen und ihn zum Tode zu schicken. Dieses Dekret wurde am 17. erlassen und Coffinhal am 18. auf die Guillotine geführt. Er saß allein in einem Karren. Sonst machte sich das gute Volk von Paris wegen einer solchen Kleinigkeit keine Mühe, und man hörte auf dem Platze sagen: »Heute ist der kleine Korb daran, wir wollen fortgehen.«
Jedoch der barbarische Sinn, welchen Coffinhal den Angeklagten gegenüber zeigte, die Spottreden, mit denen er die Unglücklichen verhöhnte, hatten ihm eine bedeutende Berühmtheit verschafft. Überdies hatte die Guillotine fünf Tage Ferien gehabt und diese ungewöhnliche Rast die Gewohnheit vieler Leute gestört; so bewegte sich denn eine große Volksmenge in den Straßen, die sich lärmend und angreifend zeigte. Coffinhal wurde beleidigt und mit Hohngelächter begleitet. Eines Tages, als er das Urteil eines unglücklichen Fechtmeisters aussprach, hatte er es für geeignet gehalten, die traurige Sitzung zu erheitern; er hatte mit seiner Baßstimme zu ihm gesagt:
»Du bist ein Fechtmeister, mein alter Junge; nun wohl, so pariere mir diesen Stoß!«
Unterwegs rief man ihm öfter als zwanzigmal dieses trübselige Scherzwort zu. Kinder und sogar Männer steckten einen Stock oder einen Regenschirm durch die Wagenleitern und zielten damit nach der Brust des Verurteilten, indem sie ihm zuriefen:
»Kannst du den da parieren, Coffinhal?«
Andere machten eine ähnliche Anspielung mit den Worten:
»Coffinhal, du würdest dich wundern, wenn man dir sagte, du kämest ins Paradies.«
Und alle ahmten den Ton des früheren Präsidenten nach, womit er so oft die Verteidigung der Unglücklichen unterbrochen hatte:
»Coffinhal, du hast nicht das Wort!«
Er starb mutig.
Nach seiner Hinrichtung wurde die Guillotine abgebrochen und fortgefahren, um nur an den Tagen der Hinrichtungen wieder aufgestellt zu werden.
Carrier
Die Bürger von Nantes; Tronjolly; Trouson- Ducoudray; das Revolutionstribunal von Nantes; Pinard, Grandmaison.
Das Tribunal entledigte sich seiner Aufgabe mit so vieler Mäßigung, als man nur von Männern erwarten konnte, deren Revolutionsfieber kaum gekühlt war. Vom 15. bis 30. Fruktidor schickte es sechs Verurteilte auf die Guillotine.
Vom 1. Brumaire bis zum 6. Frimaire waren die Hinrichtungen noch weniger zahlreich: es ließen nur fünf Verurteilte ihre Köpfe auf dem Grèveplatz. Doch blieb das Tribunal nicht untätig, es hatte eine große Zahl Angeklagter freigesprochen und am 22. Fruktidor den Prozeß der vierundzwanzig Bürger von Nantes in Angriff genommen, welche durch Carrier nach Paris geschickt worden waren. Carrier klagte sie an, mit den Rebellen der Vendée im Einverständnis gewesen zu sein. Dieser Prozeß fand einen ungeheuren Widerhall. Die Angeklagten, am 7. Frimaire von Nantes
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