Tagebücher der Henker von Paris
politische Ordnung bleibt, hatten sie ihr Gebäude einer frühen Zerstörung geweiht: es war mit ihnen zusammengestürzt; und wenn das Tribunal sie überlebte, so geschah es nur, weil es ein einziges Mal so gerecht war, die scheußlichen Werkzeuge der jakobinistischen Ächtungen zu beseitigen.
Am 22. Prairial erließ der Konvent ein Dekret, welches bestimmte, daß das am 8. Rivêse eingesetzte Tribunal aufgehoben würde. Dieses Tribunal hatte übrigens nichts als den Namen mit demjenigen gemein gehabt, welches die Männer, die wir eben auf das Schafott steigen sahen, vorgestellt hatten: Fouquier, Herman, Coffinhal und Dumas.
Man hat viel über die Wut der Partei vom Thermidor gesprochen; dem roten Schrecken hat man eine Phantasmagorie, den weißen Schrecken, entgegengesetzt. Blut fordert Blut, sagt ein arabisches Sprichwort; man konnte also nicht erwarten, daß die Reaktion, welche den vierzehn Monaten jener Herrschaft voll Heftigkeit und Barbarei folgte, rein von Überschreitungen bleiben würde; was sich aber leicht nachweisen läßt, ist, daß der weiße Schrecken, wenn es einen solchen gab, wenigstens die Zügel der Gesetze achtete und nicht die schützenden Formen der Justiz verletzte. Um dies zu zeigen, braucht man sich nur an die schnellen Urteile des Gesetzes vom Prairial zu erinnern und dagegen zu bedenken, daß die Beamten des Tribunals vom Thermidor 139 Tage brauchten, um sich von der Schuld Fouquier-Tinvilles zu überzeugen, und daß der Prozeß Carrier, der am 25. Vendémiaire begann, erst am 27. Frimaire beendigt wurde.
Der Hinrichtung Fouquiers waren andere Hinrichtungen voraufgegangen, und andere folgten ihr, die ich nicht mit Stillschweigen übergehen kann.
Indem der Berg die Ebene zur Hilfe rief, um Robespierre zu stürzen, hatte er ohne Zweifel auf die Verzagtheit jener Konventspartei gerechnet, um die Früchte des Sieges in Frieden zu genießen und die Macht in seiner Hand zu vereinigen; als aber die Ebene sich von ihrer geistlähmenden Erstarrung erholte und sich der Zahl nach in der Majorität fühlte, ergriff sie selber wieder die Regierung und erblickte bald in den Männern, welche eine Stunde mit ihr verbündet gewesen waren, nur die ehemaligen Apostel des Terrorismus und ihre früheren und gegenwärtigen Widersacher. Sie verstärkte sich mit dreiundsiebzig Deputierten, welche infolge des 21. Oktober ausgestoßen worden waren, sie rief dieselben in den Schoß des Konvents zurück, und, nun der Majorität sicher, verfolgte sie den Jakobinismus nicht nur in den Klubs, in den Sektionen, in dem Gemeinderat, sondern auch auf den Bänken der Bergpartei. Die Mitglieder, welche auf dieser Seite saßen, bemerkten aus den Angriffen, welche man gegen sie richtete, daß sie zum Kampfe nicht um die Macht, sondern um das Leben gezwungen wurden. Sie regten das Volk auf; dieses war durch die Folgen der schlechten Ernte und der Wertlosigkeit der Assignaten zu einer Bewegung aufgelegt. Es entstanden täglich Aufläufe, und am 12. Germinal stürmte ein Haufe Männer und Weiber die Tür des Konvents und drang mit dem Rufe in den Saal: »Brot! und die Verfassung von 1793!« Die Sektionen griffen zu den Waffen und befreiten die Versammlung, welche sogleich die Deportation derjenigen Mitglieder beschloß, welche die Unordnung unterstützt zu haben schienen; Chasles, Foussedoire, Duhem, Choudieu, Huguet, Amar, Ruamps, Leonard, Bourdon, Collot-d'Herbois, Billaud-Varennes, Barère und Vadier, die durch vorhergehendes Dekret verhaftet wurden, sollten ebenfalls ausgestoßen werden. Das Volk hielt die Wagen, welche die Verurteilten führten, an; da es aber trotz des Aufstandes noch eine Art Achtung vor der Versammlung hegte, so führte es sie nach dem Sicherheitskomitee zurück, von wo man sie wieder nach ihrem Bestimmungsort abgehen ließ. Am 16. wurden neun andere Repräsentanten verhaftet. In der Nacht vom 10. zum 11. Floreal geriet die Sektion der Freiheit in Aufstand unter dem Vorwande, daß die Lebensmittel zu teuer seien; die Bewegung wurde aber bald unterdrückt. Die Verurteilung und Hinrichtung Fouquiers lenkte die in der Vorstadt herrschende Aufregung einen Augenblick ab. Das »
Panem et circenses!
« des römischen Volkes konnte auf die Pariser der damaligen Zeit angewendet werden. Am 1. Prairial erneuerten sich die Auftritte vom 12. Germinal mit größerer Heftigkeit; man drang abermals in den Saal des Konvents, beleidigte und bedrohte die Repräsentanten und fügte einigen sogar schwere Verletzungen zu.
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