Tagebücher der Henker von Paris
Der Abgeordnete Féraud, der sich der Entweihung des Heiligtums der Gesetze widersetzen wollte, wurde neben der Tribüne ermordet; sein Kopf, auf eine Pike gesteckt, wurde in den Straßen umhergetragen und dann in den Sitzungssaal zurückgebracht und dem Präsidenten Boissy-d'Anglas vorgezeigt, welcher sich vor dem Überreste dieses mutigen Märtyrers des Gesetzes verneigte. – Nachdem sich die Insurgenten in den Besitz des Saales gesetzt hatten, vertrieben sie die Repräsentanten, setzten sich an ihre Plätze und stellten Anträge über Anträge. Um elf Uhr abends endlich gelang es Legendre, der sich an die Spitze der bewaffneten Macht gestellt hatte, die Rebellen zu vertreiben und dem Konvent die Freiheit wiederzugeben. Der erste Gebrauch, den dieser davon macht, besteht darin, daß er die unter dem Druck der siegreichen Demagogen erlassenen Dekrete aufhebt, Romme, Duquesnoy, Prieur, von der Marne, Duroy, Bourbotte, Goujon, Soubrany, Albitte den Älteren, Peyssard, Lecarpentier, Pinet, Borie, Fayau und Ruhl verhaften und Férauds Mörder außer dem Gesetz erklären läßt. Der folgende Tag war schrecklich, der Aufstand hatte sich in die Vorstädte Saint Antoine und Saint Marceau geflüchtet; er beherrschte dieselben und bedrohte den Konvent, der sich nicht stark genug fühlte, ihn zu unterdrücken, und sich gezwungen sah, mit ihm zu unterhandeln. Dem Aufstand fehlten aber die Führer; während er die rechte Stunde vorübergehen ließ, sammelte der Konvent Truppen und war am nächsten Tage imstande, ihn niederzuwerfen. Am 3. Prairial um zwei Uhr nachmittags war ein Mann in der Straße des Théâtre français durch Leute von den Sektionen verhaftet worden, welche in ihm den Elenden zu erkennen meinten, der das Haupt des Repräsentanten Féraud getragen hatte; es war ein Schlossergesell namens Tinelle; er wurde zunächst nach dem Sicherheitskomitee und darauf nach der Conciergerie gebracht. Seit dem vorigen Abend hatte Charles Henri Sanson den erhaltenen Befehlen gemäß im Gerichtshause zubringen müssen; er erhielt den Auftrag, Tinelle zu ergreifen und ihn unmittelbar zum Schafott zu führen. Es war ihm jedoch unmöglich, auf der Stelle vorzugehen, weil den Zimmerleuten und den Gehilfen Zeit zur Aufstellung der Guillotine gegeben werden mußte. Dieses Geschäft war erst um sieben Uhr abends beendigt.
Die Befürchtungen, welche die Haltung der Aufständischen einflößte, und die Notwendigkeit, in dem Gerichtshause eine bewaffnete Macht zur Abweisung eines Angriffs bereitzuhalten, verhinderte es, dem Verurteilten eine ausreichende Geleitschaft zu geben, um die Ausführung des Urteils zu sichern. Auf die Einwendung meines Großvaters antwortete man, daß, sobald er auf dem Grèveplatze ankäme, ihn nötigenfalls die bewaffnete Macht des Gemeindehauses unterstützen würde. Der Zug kam aber nicht so weit; auf dem Kai Lepelletier stürzte sich eine Masse Menschen auf die Geleitschaft, schloß sie ein, lähmte durch ihre Überzahl den Widerstand der Gendarmen und befreite Tinelle, der übrigens nicht aufgehört hatte, seine Unschuld zu beteuern. Dies war die letzte Anstrengung der verscheidenden Revolution.
Der Mehrzahl der verhafteten Repräsentanten war es gelungen, zu flüchten, nur sechs: Duquesnoy, Soubrany, Duroy, Bourbotte, Romme und Goujon blieben im Gefängnis. Sie waren nach Nantes gebracht worden, von wo man sie nach einer Haft von vierundzwanzig Tagen zurückführte, um sie der Militärkommission zu überliefern. Der Prozeß begann am 24. Prairial. Die Angeklagten gehörten zu jener Partei des Berges, welche, ohne die Überschreitungen der Revolution zu verkennen, nur einen indirekten Anteil daran genommen hatten; sie bildeten jedenfalls den besten und reinsten Teil der linken Seite. Ihre Haltung vor dem Tribunal war würdig und stolz; sie verteidigten sich mit Edelmut und ohne ihre Grundsätze zu verleugnen. Aber ihr Einverständnis mit den Insurgenten vom Prairial wurde dadurch festgestellt, daß sie die Verhandlungen fortgesetzt, während die Versammlung überfallen worden und die Mehrzahl ihrer Kollegen, der Gewalt weichend, den Sitzungssaal verlassen hatte. Die Richter, welche man ihnen gab, machten die Verurteilung vollends gewiß, übrigens muß man gestehen, daß die Majorität des Konvents selber dem Wahne anheimfiel, den ihnen die Jakobiner überliefert hatten; wie diese, sahen auch sie das Heil nur in dem Tode ihrer Gegner; wie diese, verwechselten auch sie die Stille des Grabes mit der Ruhe des
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