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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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einem Wort: sie behaupteten, daß ein Ausnahmegerichtshof, wie das Revolutionstribunal war, nicht gehalten gewesen sei, im gleichen Maße wie ein gewöhnlicher Gerichtshof die Formen zu beachten und die Regeln des Rechts in Obacht zu nehmen.
    Der öffentliche Ankläger ließ dieser Behauptung, welche von Fouquier ausging, ihre volle Gerechtigkeit widerfahren: »Welche Sprache müssen wir hören?« rief er; »gibt es denn irgendwie Umstände, unter welchen die Gesetze der Gerechtigkeit von den Beamten mit Füßen getreten werden dürfen? Ohne Zweifel waren die Gesetze, deren Organe ihr waret, gebieterisch und im höchsten Grade grausam; mußte ihre Grausamkeit aber noch verschärft werden durch die Übereilung, die sie euch nicht auferlegten? Und wenn euch diese Übereilung auferlegt worden wäre, so wäre es eure Pflicht gewesen, euer Haupt eher auf das Schafott zu legen, als zu leiden, daß die Rechte der Unschuld verletzt würden.«
    Fouquier-Tinville war besser beraten, als er sich in seiner Verteidigungsrede auf das Vorrecht berief, welches ihm seine Stelle als Staatsanwalt verliehen, der von dem Gesetze beauftragt sei, die Angeklagten vor den Gerichtshof zu bringen und ihre Strafwürdigkeit aufrechtzuerhalten. Konnte man ihm als Verbrechen anrechnen, was den wichtigsten Charakter seiner Amtstätigkeit ausmachte? War es möglich, ihn für die Urteilssprüche verantwortlich zu machen, die er allerdings hervorrief, worüber aber die Jury immer noch der unabhängige und letzte Schiedsrichter blieb? Diese Verteidigung war von Wirkung; aber außer den schändlichen Unordnungen, welche Fouquier bei seiner vorübergehenden Tätigkeit im Blutgerichtshofe nachgewiesen worden, stellte die Anklage auch noch gerechte Beschwerden auf, vor denen er nur das Haupt beugen konnte.
    Am 16. Floreal, um zehn Uhr abends, trat die Jury in ihren Saal; am 17. um ein Uhr nachmittags gab sie nach fünfzehnstündiger Beratung ihr Verdikt ab. Dieses Verdikt sprach frei: Maire, Delaporte, Deliège, Naulin, Harny, ehemalige Richter, Trimhard, Duplay, Brechet, Chrétien, Ganney, Trey, ehemalige Geschworene, und Beausire, Guyard und Valagnos, drei der Angeber bei den Gefängnisverschwörungen. Dagegen wurden Fouquier-Tinville, Herman, Scellier, Garnier, Launay, Foucault, ehemaliger Ankläger, Präsident und Richter, Leroy-Dix-Août de Montflabert, Renaudin, Vilate, Prieur, Chatelet, Girard, ehemalige Geschworene, Lanne, Generalinspektor der Polizei, Boyaval, Benoit, Verney und Dupaumier für schuldig erklärt und zum Tode verurteilt.
    Nach der Verlesung des Urteils ließen dieselben Männer, welche so oft mit Gleichgültigkeit einem ihrer Nebenmenschen, bloß aus dem Grunde, weil er nicht ihre politische Meinung teilte, das Leben abgesprochen hatten, sich zu Ausbrüchen der ungemessensten Wut fortreißen; derselbe Herman, der den berüchtigten Brief: »Die von Wut berauschten Angeklagten« unterzeichnet und auf unbarmherzige Weise gegen Dantons Heftigkeit aufgetreten war, um ihn von den Debatten auszuschließen, dieser selbe Herman warf dem Präsidenten Agier ein Buch, welches er gerade in der Hand hielt, ins Gesicht.
    Am folgenden Morgen um acht Uhr kamen die Scharfrichter nach der Conciergerie, wo die Verurteilten ihre letzte Nacht zugebracht hatten. Letztere hatten die Erlaubnis erhalten, von ihren Familien Abschied zu nehmen; Frauen und heftig weinende Kinder verließen in demselben Augenblick das Gefängnis, als die traurige Truppe durch den Torweg schritt. Fouquier-Tinville, Herman, Foucault, Scellier, Leroy-Dix-Août, Garnier, Launay wurden in ihren Kerkern zur Hinrichtung zugerüstet, die übrigen im Vorzimmer der Kanzlei. Der ehemalige Präsident Scellier befand sich schon seit längerer Zeit leidend und war sehr niedergeschlagen; Foucault sprach heftig; Leroy-Dix-Août wiederholte mehrere Male, daß er unschuldig sterbe, daß er überzeugt sei, die Republik wäre ohne die von ihm und seinen Kollegen angewandte Energie verloren gewesen.
    Auf Hermans wütende Ausbrüche war eine lautlose, sonst hier ungewöhnliche Stille gefolgt; er schien in sein Schicksal ergeben und sprach mit großer Freiheit des Geistes über die letzten Ereignisse, die sich im Schoße des Konvents zugetragen hatten. Er zweifelte nicht, daß seine Partei wieder zur Macht gelangen würde; er sprach die Überzeugung aus, daß sein Tod und der Mord Robespierres, wie er sich ausdrückte, durch schreckliche Repressalien gerächt werden würden. Fouquier frühstückte,

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