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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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heißt, an die ich immer dachte, im Knopfloche trug, und ich hatte mir bereits eingebildet, es geschehe ihr zu Ehren.
    Als ob ich einem allmächtigeren Willen, als es der meinige war, hätte nachgeben müssen, erhob ich mich von der Tafel und verließ unter dem Vorwande, daß ich nach dem Schlosse gehen müsse, meine Gefährten. Ich machte einen Umweg, ging durch die Vorstadt Pollet und kam auf dem Fußsteige von Braacquemont nach dem verwünschten Gehöfte an der Straße von Neufchâtel, die ich bisher nicht mehr betreten, weil sie mir schon so viel Unglück gebracht hatte.
    Als ich zwischen die Apfelbäume des Gartens hindurch das Häuschen Margaritas erblickte, kam mir den Gedanke, wieder nach Hause zu gehen; aber ich konnte mir noch so viel vorpredigen, ich ging doch in der Richtung auf das Häuschen zu.
    Ich hatte ihren alten Vater nur zweimal gesehen. Bei dem zweiten Male, nachdem er mich wieder hergestellt, hatte er mir mit allen Arten von wilden Drohungen verboten, sein Haus wieder zu betreten, was ich seinem Ärger darüber, daß ich seine Tochter freundlich angeblickt hatte, zuschrieb.
    Ich ging deshalb nicht auf die Tür zu, denn ich fürchtete, daß er bei seiner mir bekannten Gemütsart die Unschuldige strafen könne; ich ging um den Garten herum, den nur eine Hecke von wilden Rosen einfaßte, und da ich bemerkte, daß Margarita dort spazierenging, nahm ich diesen Vorteil wahr, den mir ein so entlegener Ort wie dieser Garten darbot, sprang schnell über die Hecke und eilte zu ihr.
    Die Lügen sind kein großer Fehler für den, der mehr oder weniger liebt, und man kann sogar von ihnen sagen, daß sie zur Liebe gehören. Ich erzählte dem jungen Mädchen, daß ich, weil ich ihrem Vater nicht hätte danken dürfen, ihr diesen Dank für ihre Sorgfalt und milde Pflege hatte aussprechen wollen. Dann gestand ich ihr ohne jede weitere Einleitung und als wenn ich mich nicht genug damit hätte beeilen können – so sehr trieb mich die Furcht, daß mir irgendein anderer zuvorkommen könne – meine Liebe.
    Das junge Mädchen errötete, aber sie war nicht erzürnt; indessen sah ich wohl, daß ihre Augen sich mit Tränen füllten, und als ich sie fragte, warum sie weine, antwortete sie mir, daß ich sie nicht lieben dürfe, daß eine solche Bekanntschaft großes Unglück über mein Haupt bringen werde; dann gebot sie mir und bat mich, so schnell als möglich zu gehen, da jeden Augenblick ihr Vater in den Garten kommen könne.
    Ich blieb nur eine kurze Zeit bei ihr, wiederholte ihr, was ich ihr schon gesagt hatte, und kehrte dann ganz aufgeregt nach der Stadt zurück.
    Aber am nächsten Tage kehrte ich wieder nach dem »verwünschten Gehöfte« zurück, und ich kam auch die folgenden Tage dahin.
    Hin und wieder sah ich sie nicht, zu anderen Malen sah ich ihren Vater, wie er mit ihr im Garten spazierenging; wieder ein anderes Mal war es der Knecht, der arbeitete, oder die Magd pflückte Gemüse; ich war dadurch gezwungen, mich versteckt zu halten und mich damit zu begnügen, daß ich die von fern beobachten konnte, die zu sehen ich nie müde wurde. Von Zeit zu Zeit war sie aber auch allein, und so kurz auch unsere Unterhaltung dann war, sie reichte hin, mich in meinem Fieber noch mehr zu bestärken.
    Als ich eines Abends mit dem Herrn Balvins von Blignac, der vom Trinken sehr erhitzt und ganz freundlich war, bei Tische saß, antwortete er mir, als ich mich über ihn lustig machte und scherzend von der schönen Freundin Pauls und dem schändlichen Handwerke sprach, das er, wenn dies wahr wäre, bei dieser Gelegenheit getrieben hätte, mit Augenblinzeln, daß nichts wahrhafter sei und daß, dank seinen guten Diensten, mein Cousin zur Stunde, die wir gerade hatten, das Wohlwollen des schönsten Mädchens, dem man je begegnen könne, genieße.
    Da mir in der Welt niemand reizender erschien als Margarita, wurde ich von neuem unruhig. Ich quälte ihn mit meinen Fragen; er hielt mich ein wenig hin; da man aber zu den schlechten Eigenschaften des genannten Herrn von Blignac auch die zufügen konnte, daß er der größte Schwätzer von der Welt war, so löste sich bald seine Zunge. Er erzählte mir, daß, da das junge Mädchen sich unzugänglich gezeigt und weder für Gold noch Liebe etwas bewilligt habe, Paul Bertaut seinem Rate zufolge bei dem Apotheker der Stadt eine Arznei, die einschläfere, gekauft und sie dem Knecht, den er bestochen, zugesteckt habe. Der Knecht sollte sie denselben Abend zwischen seine Herrin und die

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