Tagebücher der Henker von Paris
Magd teilen. Er fügte noch hinzu, daß der Vater und der Knecht in dieser Nacht abwesend sein sollten, und da das Haus ganz einsam liege, so würde das Mädchen gewiß meinem Cousin überlassen sein.
Ich war sprachlos und sah nichts mehr; ich erhob mich zugleich so ungestüm, daß ich mit meinem Schemel den Tisch und die Gläser umwarf. Mein Degen und meine Kopfbedeckung lagen auf einer Bank; ich ergriff nur den Degen, und ihn aus der Scheide ziehend, lief ich wie ein Unsinniger durch die Stadt.
In dem Augenblicke, als ich mich dem Hause näherte, bemerkte ich den Schatten eines Mannes, der sich längs der Mauer hinschlich. Ich rief: »Hollah!« Der Mann ergriff die Flucht, aber nicht so schnell, daß ich ihn nicht bald eingeholt und erkannt hätte, daß Herr von Blignac mich keineswegs belogen habe und daß der, welcher den Plan gehabt, so feige das schlafende Mädchen zu überfallen, mein Cousin sei.
Ich zog ihn weiter mit mir fort, und ganz erregt von Zorn und Schmerz, warf ich ihm bitter seine unehrenhafte und ungerechte Aufführung vor, indem ich ihm vorstellte, welch großes Verbrechen es sei, ein Mädchen zu verderben, das um so achtungswerter, als sie arm und von niedrigem Stande sei, und daß er ihr alles nähme, wenn er ihr die Tugend raubte.
Mein Cousin senkte den Kopf und erwiderte, ganz beschämt, kein Wort. Wäre ich mit ihm allein geblieben, so hätte ich ihn ohne Zweifel zur Reue zurückgeführt, denn seine Laster waren nur Laster der Jugend und schlechter Bekanntschaften; die Ankunft des Herrn Balvins von Blignac verdarb aber alles.
Ich änderte den Ton, wandte mich an ihn und drückte ihm sehr unwillig aus, was ich von der Rolle dachte, die er in dieser Sache gespielt hatte. Ich sagte ihm noch, daß er seit den sechs Monaten, während deren Herr Bertaut in der Stadt sei, sich alle Mühe gegeben habe, ihn in Ungelegenheiten zu bringen, indem er ihn zum Spiel, Trinken, Ausschweifungen und allen Arten von Schändlichkeiten verleitete.
Herr von Blignac antwortete dadurch, daß er meinen Cousin verspottete, solche Ermahnungen zu dulden, indem er nach seiner Gewohnheit scherzte und schwur, daß, wenn ich mich erzürnt habe, dies der Fall sei, weil ich selbst Absichten auf die Schöne habe, daß ich ihm Rechenschaft für die Worte, die auf seine Rechnung kämen, geben müsse, oder daß er sie mir wieder in die Kehle zurücktreiben werde, und hierauf zog er seinen Degen und griff mich an, wobei er meinem Cousin zurief, er solle mich seinerseits auch angreifen, und das junge Mädchen werde dann dem Sieger als Beute verbleiben.
Mochte die Liebe ihm den Kopf verdreht haben, oder fühlte er sich durch die Spöttereien und Possen des Herrn von Blignac aufgereizt, Paul Bertaut schämte sich nicht, den Degen gegen seinen Verwandten und Freund zu ziehen und mich zu derselben Zeit anzufallen, in der Blignac auf mich eindrang.
Ich verteidigte mich nach besten Kräften, indem ich mich zurückzog, um an den Bäumen Deckung zu finden; als aber Herr von Blignac einen Stoß nach mir geführt hatte, verwundete ich ihn durch einen guten Degenstich so schwer an der Handwurzel, daß seine Waffe auf die Erde fiel, wo ich mit dem Fuß darauf trat, mich ihrer bemächtigte und sie weit fortwarf.
Herr Paul Bertaut trug seinerseits eine Schmarre im Gesicht davon und ich einen ganz unbedeutenden Stich in die Schulter.
Nun ließen die beiden Kameraden von mir ab und flohen fluchend und mir zurufend, daß morgen Tag sein würde und daß wir dann miteinander weiterfechten könnten, ohne Gefahr zu laufen, uns gegenseitig die Augen auszustechen.
Als ich sah, daß sie fort waren, entschloß ich mich nichtsdestoweniger, die ganze Nacht dazubleiben – so sehr fürchtete ich diesen Herrn von Blignac, einen genug verräterischen und schlimmen Menschen, um Paul Vertaut überreden zu können, daß er meine Entfernung benutze, um sich zu rächen.
Als ich um Mitternacht noch immer nichts sich im Hause regen hörte, und zwar trotz des Lärmes, den wir gemacht hatten, begann ich zu fürchten, daß jener verdammte Schlaftrunk sowohl das junge Mädchen als die Magd getötet haben könne, und das war es, was mich verderben sollte. Der Spitzbube von Knecht hatte, seiner Verabredung mit Paul Vertaut gemäß, die Tür halboffen gelassen; ich trat in das Haus und stieg die Treppe hinan, die zu der Kammer des armen Kindes führte.
Hier – ich gestehe es mit großer Beschämung und Reue – verlor ich allen Nutzen von den weisen Ratschlagen
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