Tagebücher der Henker von Paris
ihm gelang, wirkliche Namensunterschriften täuschend nachzumachen. Von hier bis zum Morde ist nur ein Schritt; diesen legte er zurück, indem er in der Nacht vom 21. zum 22. Februar 1827 einen Mann, welchem er den Namen eines Freundes gegeben hatte: Jean Baptiste Brouet, meuchlings ermordete, um sich des Geldes, der Kleinodien und der Wertpapiere, die derselbe besaß, zu bemächtigen. Um diese Wertpapiere, unter denen sich Handelsscheine und eine Rentenverschreibung befanden, benutzen zu können, nahm er zu neuen Fälschungen seine Zuflucht und geriet dadurch in das Verderben, indem man in ihm den Mörder Brouets entdeckte.
Man staunt über die frühzeitige Habsucht dieses jungen Mannes, der schon im Alter von siebzehn Jahren den Weg des Verbrechens betrat, indem er falsche Bankbilletts anfertigte und falsche Bankoperationen unternahm. Man erkennt hier eine irregeleitete Geisteskraft, welche sich nicht auf Versuche beschränkt, und man darf nicht erstaunen, daß er, in seinen eigenen Schlingen gefangen, zur Mordtat schreitet. Man erkennt daraus auch die Krankheit des Jahrhunderts: Entsittlichung, Mangel an Grundsätzen, Zügellosigkeit, Durst nach Geld und Vergnügungen, der vor keinem Hindernis zurückbebt. Asselineau ist der Vorläufer von Lacenaire.
Als wir diesen Unglücklichen von der Conciergerie abholten, zeigte er sich ruhig und ergeben und unterwarf sich geduldig den vorbereitenden Zurüstungen. Im Gegensatze zu denjenigen, die ich im letzten Augenblicke ihres Lebens ihre Eltern wegen dieses kläglichen Ausganges hatte anschuldigen hören, schien Asselineau nur an den Schmerz seiner Familie und an die Schande, die er ihr hinterließ, zu denken. Eine unglückliche Familie in der Tat, welcher man jedoch nicht den Vorwurf machen konnte, daß sie die Erziehung dieses jungen Mannes vernachlässigt habe, denn im Gegenteil hatte vielleicht die darauf verwandte Sorgfalt dazu beigetragen, in ihm Ansprüche zu erwecken, welche über seinen Stand hinausgingen und sich in verbrecherische Gelüste verwandeln mußten.
Asselineau schien nicht ohne eine gewisse Bildung zu sein. In dem Augenblicke, als wir aufbrechen sollten und meine Gehilfen ihm die Hände banden, stellte er mir ein viereckig zusammengefaltetes Papier zu und bat mich ungemein höflich, von dem Inhalte desselben Kenntnis zu nehmen und die letzte Bitte eines Sterbenden zu erfüllen.
Das Papier enthielt das Gesuch, einem Schneider, von welchem er einen Rock und ein Beinkleid ohne Bezahlung entnommen hatte, diese Kleidungsstücke wieder zurückzustellen.
Die Orthographie war nicht ohne Fehler, die Handschrift selber aber vollkommen und zeugte von einer Schreibfertigkeit, die man von einem Weinhändlerlehrling kaum erwarten konnte.
Ich versicherte ihm, daß sein Auftrag ausgerichtet werden sollte, und die Kleidungsstücke wurden auch in der Tat an demselben Abend dem Kleidermacher zugestellt.
Als wir das Kleidungsstück nahmen, um es an den bestimmten Ort gelangen zu lassen, fiel ein anderes Papier in unsere Hände, und dies setzte uns noch besser in den Stand, die Fähigkeiten Asselineaus zu beurteilen. Dasselbe enthielt deklamatorische Sätze, worin einige Wahrheiten unter einer Masse von Trugschlüssen hervorblickten, und war wahrscheinlich der Entwurf einer Verteidigungsschrift, welche Asselineau vorbereitet hatte. Es war darin jene Theorie von einem allmählichen und unvermeidlichen Verhängnis enthalten, welche wir weiter unten aus einer verfänglicheren und geschickteren Feder wiederfinden werden: von der des Lacenaire. Dort aber wird sie, wie überall, die Prüfung nicht bestehen und unter dem ersten Hauch der Wahrhaftigkeit und Sittlichkeit verschwinden.
Die letzten Zeilen jenes seltsamen Schriftstückes von Asselineau waren mit einer zitternden Hand geschrieben und voll von Radierungen und Tintenflecken. Unterhalb des letzten Blattes befand sich eine sonderbare Anmerkung, eine Anweisung auf einen Herrn Bellemain im Betrage von neunmalhunderttausend Franken. Diese Zeilen waren ebenfalls von Asselineaus Hand, aber, wie leicht zu ersehen, gefälscht.
Was bedeutet dies? Vielleicht, daß dieser Unglückliche noch bis zum letzten Augenblick und selbst in der Haft über Fälschungen und Betrügereien nachdachte?
Es ist dies ein Geheimnis, das Asselineau mit in das Grab genommen hat.
Auf dem Todesgange bewahrte er seine ganze Kaltblütigkeit und zeigte die tiefste Reue und den aufrichtigsten Schmerz darüber, daß seine Schande auf seine Familie,
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