Tagebücher der Henker von Paris
verlor sie auf diesen beschwerlichen Pilgerfahrten wohl ihre Vernunft, aber nicht ihre Liebe. Vor einigen Tagen las ich in den Zeitungen, daß diese wahnsinnige, aber dabei sanfte und harmlose Frau in dem Hotel Dieu gestorben sei; ein sonderbarer Schluß dieses Romans, welcher an dem Schafott vorübergeht, um seine Lösung im Hospital zu finden. –]
Nachdem das Urteil verkündet war, zeigte der gelehrte Numismatiker Monmarqué, der berühmte Kommentator der Frau von Sévigné, welcher den Vorsitz bei den Assisen geführt hatte, dem Gebrauch gemäß den Verurteilten an, daß ihnen drei Tage zur Appellation blieben.
»Das ist unnütz, Herr Präsident«, antwortete Bories in entschiedenem Tone. »In Anbetracht der Unparteilichkeit jedoch, welche Sie im Laufe der Verhandlungen gezeigt haben, wagen wir es, Sie zu bitten, Sie möchten Befehl erteilen, daß man mich nicht von meinen Mitverurteilten trenne, daß man uns, wenn es nötig ist, einkerkere, aber nicht mit Fesseln belaste.«
Monmarqué versprach mit bewegter Stimme, in dieser Angelegenheit an den Polizeipräfekten zu schreiben. Die Verteidiger konnten ihre Rührung nicht verbergen und warfen sich in Bories' Arme, der sie mit Innigkeit an sich drückte.
Die vier Sergeanten wurden nach Bicètre gebracht. Drei von ihnen, Goubin, Raoulx und Pommier hatten Appellation eingelegt; als sie erfuhren, daß Bories auf dieses Rechtsmittel verzichtet habe, beeilten sie sich, seinem Beispiele zu folgen und von ihrer Berufung abzustehen.
Die Opfer erregten solchen Anteil, daß die Partei, welche sie vorgeschoben hatte, die Unverschämtheit nicht wagte, sie aufzugeben, ohne ihre Rettung zu versuchen. Man machte einen Versuch, den Direktor vom Bicètregefängnis zu bestechen, daß er die Flucht der Gefangenen begünstige; wenn man jedoch dem Verfasser der neuen berühmten Rechtsfälle, dem schon erwähnten Fouquier, Glauben schenken darf, war es ein Oheim des Direktors, ein Priester, seines Standes unwürdig, der, als Seelsorger der Strafanstalt in das Vertrauen gezogen, dieses Geheimnis, welches ebenso heilig wie das der Beichte war, verriet und ein Vorhaben scheitern ließ, welches zum Zweck hatte, vier der Rache des Schafotts überlieferte Unglückliche zu retten.
Am 21. September wurden Bories und seine Gefährten am frühen Morgen von Bicètre nach der Conciergerie gebracht. Alle wiesen die Tröstungen der Kirche, die ihnen unglücklicherweise als eine politische Feindin gezeigt worden war, zurück.
Als sie in den Saal traten, wo die letzten Zurüstungen stattfinden sollten, glaubte Bories, der eine Zeitlang von den übrigen entfernt gewesen war, da man sie in einzelnen Zellen gefangengehalten hatte, sie anreden zu müssen, um sie für den letzten Augenblick zu ermutigen.
»Teure Freunde,« sprach er zu ihnen, »der Augenblick naht, wo wir diese Welt verlassen sollen; laßt uns zeigen, daß wir würdig waren, darin für die heiligsten Angelegenheiten zu kämpfen und zu sterben. Verzeiht mir nur, daß ich euch zu diesem tragischen Tode fortriß, aber unser Blut wird keine unfruchtbare Saat sein. Es lebe die Freiheit!«
Die drei Sergeanten schlossen Bories in ihre Arme und wiederholten mit unbeschreiblicher Begeisterung den Ruf, den sie eben gehört hatten. Sogleich nahm die klägliche Zurüstung ihren Anfang; alle unterzogen sich derselben mit edler Hingebung, Raoulx, der jüngste von ihnen, sogar mit einem Anfluge von Heiterkeit, der nicht ganz frei von Schärfe war.
»Armer Raoulx,« sagte er, indem er auf seine kleine Gestalt anspielte, »was soll von ihm übrigbleiben, wenn man ihm den Kopf abschneidet?«
Goubin lächelte über die Scherze seines jungen Genossen und mischte zuweilen ein Witzwort darein. Pommier allein blieb düster, aber ruhig und fest. Was Bories anbetraf, so zeigte er den Stoizismus eines Römers.
Wir sollten die Conciergerie um vier Uhr verlassen; um fünf Uhr waren wir noch da. Während dieser langen Stunde voll Angst und tödlicher Erwartung beriet sich der Ministerrat über die Frage, ob man den Verurteilten das Leben schenken solle. Der König Ludwig XVIII. soll sich zu diesem Gnadenakt geneigt gezeigt haben, der Pavillon Marsan, Monsieur und seine Freunde waren jedoch der entgegengesetzten Ansicht. Im Ministerrat wurde die letztere Ansicht durch den Grafen Peyronnet, den ehemaligen Großsiegelbewahrer, unterstützt, und endlich gab sie den Ausschlag.
Während dieser Zeit versuchte man aufs neue, jenen unglücklichen jungen Leuten
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