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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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Geständnisse zu entlocken, wodurch sich die Sache wahrscheinlich zu ihren Gunsten gestaltet hätte und ihre Köpfe gerettet worden wären. Sie wurden nach der Reihe vor einen Beamten geführt, welcher jedem erklärte, es hinge nur von seinem aufrichtigen und vollständigen Geständnis über die Verzweigung der Verschwörung ab, der Hinrichtung zu entgehen. Man hoffte sie dadurch zu erweichen; eine vergebliche Hoffnung! Sie waren unerschütterlich.
    Um fünf Uhr mußte man sich zum Abzuge entschließen. Die Verurteilten waren stumm geblieben. Der Ministerrat hatte den Vollzug des Todesurteils beschlossen. Der traurige Zug ging schnell und ohne Hindernis vonstatten, über den Pont au Change und den Kai entlang bis zum Grèveplatz. Der Zudrang war sehr beträchtlich, aber man hatte eine so gewaltige Militärmacht entfaltet, daß der Durchgang mit leichter Mühe freigehalten werden konnte. Man versichert sogar, daß nur in Betracht der aufgewandten Vorsichtsmaßregeln die politischen Parteigänger der unglücklichen Sergeanten auf ihren Plan, sie während des Zuges zu befreien, verzichten mußten.
    Am Fuße des Schafotts angelangt, verharrten sie dabei, den Ermahnungen des Geistlichen, der sie begleitet hatte, kein Gehör zu geben. Bories gehörte übrigens der protestantischen Konfession an. Sie vereinigten sich alle vier zu einer letzten Umarmung; dann machte sich Raoulx zuerst von der Gruppe los, die ein Opfer des Todes werden sollte, und sprach:
    »Vorwärts, armer Raoulx; obgleich du der Jüngste bist, ist die Reihe an dir, das Beispiel zu geben.«
    Er stieg mit festem Schritt die Treppe zur Plattform hinauf, der zweite Gehilfe ergriff ihn. Als man ihn auf das Brett band, rief er seinen Freunden unter der Menge die Worte, mit welchen Bories sie in der Conciergerie angeredet hatte, als Lebewohl zu:
    »Es lebe die Freiheit!«
    Nach ihm kam Goubin an die Reihe, der nicht weniger Mut zeigte; er stieg ebenso entschlossen die verhängnisvollen Stufen hinauf und rief wie sein Vorgänger mit fester und sicherer Stimme:
    »Es lebe die Freiheit!«
    Pommier war der dritte, der hingerichtet wurde; er brach das Stillschweigen, das er solange beobachtet hatte, um denselben Ruf wie seine beiden vorangegangenen Gefährten auszustoßen.
    Endlich kam die Reihe an Bories.
    Man hatte ihm, der in hochherziger Weise sein Leben anbot, um seine Freunde zu retten, den Schmerz aufgespart, sie alle verenden zu sehen.
    Der Anblick dieser dreifachen Hinrichtung hatte endlich das stoische Herz des jungen Sergeanten erschüttert; seine Augen waren mit Tränen gefüllt. Auf dem Schafott angekommen, sammelte er jedoch seine ganze Fassung wieder, richtete einen festen Blick auf die Menge und sprach mit ruhiger Stimme die Worte:
    »Brüder, wenn ich weine, so ist es nicht um mein Geschick, sondern um das meiner Kameraden, die man vor meinen Augen erwürgt hat. Indem wir unser Blut für euch vergießen, vermachen wir euch unsere Rache! Erinnert euch unseres letzten Gelübdes: Es lebe die Freiheit!«
    Man zog ihn nach dem Fallbrett und band ihn darauf fest. Einige Augenblicke später war sein Kopf gefallen.
    Es waren noch nicht acht Jahre seit dieser Hinrichtung verflossen, als eine siegreiche Revolution sich auf demselben Platze zur Testamentsvollstreckerin der jungen Sergeanten machte. Das Volk zog siegreich in das Stadthaus mit dem tausendfach wiederholten Ruf: »Es lebe die Freiheit!«, mit welchem die am 21. September 1822 Hingerichteten Abschied von ihren Mitbürgern genommen hatten.
    Wie lange dauerte die Trunkenheit dieses Sieges und die daraus entsprossenen Hoffnungen? Man frage nach im Kloster St. Merry und in der Straße Transnonain!
Jean Asselineau – Abbé Contrafatto Nicolas Benoît
    Ich bin nun zu einer Hinrichtung gekommen, welche den lebhaftesten Eindruck auf mich machte und meine Gefühle schmerzlich verletzte. Es handelte sich um einen unglücklichen jungen Mann von kaum zwanzig Jahren: Jean Baptiste Francois Elisabeth Asselineau, einen Weinhändlergehilfen, aus Nièvre gebürtig, welcher am 8. Mai 1827 um fünfeinhalb Uhr auf dem Grèveplatze hingerichtet wurde. Dieser Verurteilte hatte ein überaus kluges und Teilnahme erregendes Gesicht; dennoch war er schon seit länger als zwei Jahren in den Strudel des Verbrechens versunken. Während der Jahre 1825 und 1826 hatte er eine große Menge Fälschungen verübt, indem er eine durch die andere verdeckte und auf die gefälschten Wertpapiere ausgedachte Unterschriften schrieb, bis es

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