Tagebücher der Henker von Paris
Verwandten und Freunde des unglücklichen Jünglings in Schrecken und Bestürzung.
Damals wandten sie sich, wie Frau von Parabere es Charles Sanson gesagt hatte, an den Regenten mit folgender Bittschrift, die ich hier wegen der hohen Stellung der Unterzeichner und der darin enthaltenen Gründe wiedergebe:
»Gesuch der Verwandten des Herrn Fürsten von Horn und des Herrn Grafen von Horn an den Herrn Regenten.
Hoher Herr!
Die getreuen Untertanen Seiner Majestät, deren Namen folgen, haben die Ehre, Eurer Königlichen Hoheit in Ehrfurcht auseinanderzusetzen:
1. daß der Graf Ambrosius von Horn, Groß-Jägermeister von Flandern und Artois, seit siebzehn Jahren des Gebrauches seiner Vernunft und seiner Freiheit beraubt ist. Es ist wohlbekannt, daß er in einem Anfalle von Tobsucht den Tod seiner Gattin, Madame Agnes Brigitte von Créquy, veranlaßte und daß ihn die souveränen Höfe von Flandern und Brabant dafür nicht anders als durch Entziehung der Herrschaft über seine Güter und Gefängnis bestraft haben. Es erhellt aus den beigefügten Zeugnissen: – erstens, daß genannter Herr Graf sich hartnäckig weigerte, während er auf Schloß Loosen war, eine andere Art Nahrung als rohes Fleisch zu sich zu nehmen; – zweitens, daß er die Weinportion, die man ihm täglich gab, aufsparte, bis er eine hinreichende Menge beisammen hatte, um sich berauschen zu können; – drittens, daß er sich am 4. August 1712 mittels eines Feuerhakens, den er sich in die Kehle stoßen wollte, verwundete und dabei einen Blutverlust erlitt, der ihm beinahe das Leben kostete;–viertens, daß, nachdem er ein Mittel gefunden hatte, vom Schloß Loosen zu entweichen, er zwei Kapuzinern von Ruremonde begegnete, die er anfangs wütend schlug, indem er sie nötigen wollte, Gott abzuleugnen. Er war mit vier geladenen Pistolen bewaffnet, die er Reisenden geraubt hatte. Einer dieser Mönche hatte, tödlich erschreckt durch die Heftigkeit des Grafen, die Schwäche, gewisse Worte der Apostasie auszusprechen, worauf der Graf ihm sagte, daß er ein elender Abtrünniger sei, der gerechterweise zum Teufel geschickt werden müßte, und ihn vor den Kopf schoß. Obgleich der andere Mönch festgeblieben war, tötete er auch ihn durch einen Pistolenschuß; der Verrückte sagte ihm, er würde direkt in das Paradies eingehen, und er selbst wolle ihn zum Märtyrer seines Glaubens machen;
2. daß der Prinz Ferdinand von Ligne und Amblise, Generalmajor der kaiserlichen Armeen, unter Kuratel seines prinzlichen Bruders steht und daß er ingleichen wegen Tollheit seit dem Jahre 1717 gerichtlich zur Einsperrung verurteilt ist;
3. daß der Vater der verstorbenen Prinzessin von Horn und Overisque seit ungefähr drei Jahren vor seinem Tode auch den Verstand verloren hatte;
4. daß der Graf Anton Joseph von Horn und Saint-Empire, zweiundzwanzig Jahre alt, der legitime und nachgeborene Sohn Philipps V. ist, der bei seinen Lebzeiten war: Prinz von Horn und Overisque, souveräner Graf von Baussigny, Hautekerke und Bailliol, erblicher Statthalter der Provinzen Geldern, Friesland und Westfriesland, Prinz und erblicher Oberjägermeister des heiligen römischen Reiches, Grand erster Klasse von Spanien usw. usw., und dessen Gemahlin Antoinette, Prinzessin von Ligne;
daß der Graf Anton von Horn von Mutterseite der Enkel des Prinzen von Ligne, der Neffe des Prinzen Ferdinand von Amblise und von Vaterseite der Neffe des vorgenannten Grafen Ambrosius von Horn ist;
daß er selbst unter einer Krankheit gelitten hat, welche sowohl die brabantischen Ärzte als auch das richterliche Personal der österreichischen Niederlande dahin beurteilt haben, daß sie ganz den Charakter einer Verstandesschwächung besitze, wie die beigefügten Belege besagen;
5. daß, wenn die Unterzeichneten sich nicht auf eine Diskussion über den Grund und die Formen des gegen besagten Grafen Anton von Horn erlassenen Urteils einlassen, dies einzig und allein der Gebühr wegen unterbleibt und keineswegs aus Achtung und Respekt vor dem richterlichen Ausspruche, wobei sie sich alle vernünftigen Mittel, zugunsten ihres besagten Verwandten Gerechtigkeit zu erhalten, vorbehalten.
Aus diesen Gründen möge es Eurer Königlichen Hoheit gefallen, von dem Könige, unserem erhabenen Herrn, Aufhebung der gegen ihn durch das Urteil des Gerichtshofes ausgesprochenen Strafe zu erlangen.
Wir sind in Ehrfurcht Eurer Königlichen Hoheit sehr ergebene und gehorsame Diener und Dienerinnen:
Claude, Prinz von Ligne;
Weitere Kostenlose Bücher