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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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Mordes und Diebstahls anwandten, deren Beweggrund die Begierde nach diesen Wertpapieren gewesen zu sein schien.
    Der Besuch der Frau von Parabere war nicht der einzige, den Charles Sanson des Grafen von Horn wegen erhielt. Am zweitnächsten Tage kam auch der Marquis von Créquy, der der Anstifter und Organisator aller zur Rettung des Jünglings versuchten Schritte gewesen war, zu meinem Vorfahren. Er sprach zu ihm gar nicht von der Möglichkeit einer Flucht, mochte er nun die Hoffnungen der Marquise in dieser Beziehung gar nicht kennen oder kannte er sie, ohne sie zu teilen; aber er schien keineswegs an dem Worte des Regenten zu zweifeln und glaubte fest, daß der Graf enthauptet werden würde.
    Er zeigte Charles Sanson sogar einen Brief, den der Herzog von Saint-Simon an den Herzog von Havré geschrieben hatte und in dem seine Versicherungen aus guter Quelle bestätigt zu werden schienen, denn der Herzog von Saint-Simon galt dafür, daß er das ganze Vertrauen des Regenten besitze.
    So deutlich die Ausdrücke dieses Briefes Herrn von Créquy erschienen, erweckten sie in Charles Sanson doch unbestimmte und traurige Ahnungen.
    Herr von Créquy wollte nun das Schwert sehen, welches zur Hinrichtung dienen würde. Er erbleichte, als mein Ahne ihm diese große, glänzende und spitzige Stahlklinge mit zwei Schneiden zeigte, die man kaum mit dem Namen Waffe beehren konnte. Auf der einen Seite des Schwertes findet sich das Wort
»Justitia«
eingraviert, auf der anderen ein Rad, das Emblem der Hinrichtung. Es war dasselbe Schwert, das zur Hinrichtung des Chevaliers von Rohan gedient hatte.
    Herr von Créquy, der nur mit Mühe die Tränen zurückhalten konnte, bat Charles Sanson, bei der Erfüllung seiner schrecklichen Pflicht so viel Schonung, als ihm erlaubt sei, anzuwenden, nur den Hals des Delinquenten zu entblößen und, bevor er den entsetzlichen Streich führe, abzuwarten, bis jener sein letztes Gebet vollendet und die Absolution von dem Priester, der ihn begleitete, empfangen haben würde.
    Als Herr von Créquy aufbrach, wollte er, wie Frau von Parabere, meinem Ahnen eine Summe als Belohnung für die beanspruchten Dienste anbieten; er überreichte ihm eine Rolle mit hundert Louisdor und bat dringend, sie anzunehmen.
    Mein Ahne blieb, ebenso wie bei der Marquise, unerschütterlich in seiner Weigerung.
    Herr von Créquy schien gerührt und ging, ohne weiter in meinen Ahnen zu dringen.
    Der Marquis hatte sich kaum seit einigen Stunden entfernt, als Charles Sanson den Befehl erhielt, am anderen Morgen um sechs Uhr den Grafen Anton von Horn aus der Conciergerie abzuholen, um ihn, sobald er aus der Torturkammer gekommen sein würde, auf den Grèveplatz zu führen und das Urteil des Parlaments seinem ganzen grausamen Inhalte nach zu vollstrecken. Die Ahnungen meines Vorfahren hatten sich also vollkommen bestätigt: der Regent hatte sein gegebenes Wort gebrochen; Law und Dubois hatten über den Herzog von Saint-Simon und den ganzen Adel, die sich dieser Sache so warm angenommen hatten, gesiegt.
    Mein Ahne fühlte sich ganz vernichtet; der Befehl enthielt nicht einmal jene geheime Klausel, die dem Verurteilten die schrecklichsten Qualen ersparte, indem sie dem Scharfrichter befahl, ihn zu erdrosseln, bevor er ihm die Glieder zerbrach. Wie sollte er nun die Versprechungen erfüllen, die er sowohl der Marquise von Parabere als dem Marquis von Créquy gemacht hatte?
    In dieser traurigen Nacht geschah, was seitdem noch oft in meiner Familie vorgekommen ist. Die arme Martha Dubut, die Vertraute der Leiden ihres Gatten, betete, und Charles Sanson erwartete in schrecklicher Angst die traurige Morgenröte, die ihn auf seinen furchtbaren Posten rufen sollte.
    Es wurde heller Tag, und eine ansehnliche Menschenmenge hatte sich schon vor den Toren der Conciergerie zusammengefunden, als mein Ahne daselbst mit seiner düsteren Equipage anlangte. Er begab sich sogleich in das Innere des Gefängnisses und wurde in einen niedrigen Saal geführt, wo sich der Graf von Horn und der Chevalier von Milhe, die bereits die Tortur überstanden hatten, befanden. Alle beide waren schrecklich verstümmelt, denn man war mit ihnen bis zum achten spanischen Stiefel gegangen. Der Graf von Horn war ungemein bleich; sein rollendes Auge flog über alles, was ihn umgab, und er hörte nicht auf, mit dem Piemontesen zu sprechen, der viel gefaßter erschien und mit frommer Aufmerksamkeit dem Doktor der theologischen Fakultät zuhörte, der ihn zu ermahnen beauftragt

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